Low Waste: Mehr Spielraum für Qualität?

28.11.2023 | Beispielhaft, Gut zu wissen

Beim 1. Gastro for Future Online-Summit von Greentable sprachen wir mit vier Branchen-Expert*innen über das Thema Lebensmittelabfall in der Gastronomie. Bedeutet weniger Foodwaste mehr Spielraum für Qualität und gar mehr Gewinn?

 


Es diskutierten: (v. links): Tanja Goldstein vom Heaven‘s Kitchen, Stuttgart, Vincent Fricke von Holisticfood, München, Manuel Poschadel von Speiseräume e.V., Berlin  und Tim Hoffmann vom Radisson Blu Bremen

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Aufzeichnung des Panels „Low Waste“

Nicht aufs Bauchgefühl verlassen

Vincent Fricke aus München richtet mit seinem Unternehmen „Holistic Food“ Caterings aus, veranstaltet aber auch Workshops und andere Formate rund um das Thema Ernährung und Nachhaltigkeit. Wichtig aus seiner Sicht ist, in Sachen Abfallvermeidung das Bauchgefühl rauszulassen und konsequent datenbasiert vorzugehen. Mit Erfahrungswerten, Wiegen, grammgenauen Rezepturen und Excel-Listen hat man über die Jahre Überproduktionen deutlich reduzieren können – und das dadurch eingesparte Geld hat es u.a. möglich gemacht. andere (teurere) Produkte einzukaufen, oft in Bioqualität. Er beobachtet, dass die Sensibilität für Foodwaste(vermeidung) in der Branche steigt. Auch, weil es Geld spart. Er plädiert für einen noch stärkeren Austausch zwischen den Unternehmen, wie sich Nachhaltigkeit noch besser umsetzen lassen kann. Es reiche hin bis zu einer effektiveren, bedarfsgerechten Anbauplanung, die Landwirten eine Abnahme garantiert. Wer gut kalkuliert, kann besser prognostizieren, wie viele z.B. Biokartoffeln er benötigen wird. Und kann somit schon ganz am Anfang der Wertschöpfungskette eine exaktere Planung bewirken.

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„Einfach mal sagen: Das ist heute aus und das ist gut so.“
Vincent Fricke

Wiegen bitte!

Das sieht auch Manuel Poschadel so, der bei „Speiseräume e.V.“ das Trainerteam leitet und u.a. das Projekt „Kantine Zukunft“ begleitet, das den Bioanteil in Berliner und nun auch Brandenburger Gemeinschaftsverpflegungen steigern hilft. Regionale Qualität durch Anbaupläne zu fördern und den Menschen vor Ort Sicherheit zu geben, dass ihre Produkte abgenommen werden, ist ein Ziel von „Kantine Zukunft Brandenburg“. In den Küchen selbst finde man fast immer Geld, so Poschadel, der selbst viele Jahre Küchenleiter war, ob im nicht gut berechneten Einkauf oder in falschen Portionsgrößen. Reichen eventuell 10% weniger einer teuren Zutat im Rezept? Ein wichtiger Hebel sei auch das Selbstkochen, was er am Beispiel der gekörnten Brühe erklärt: Sie kostet 9 bis 12 Euro pro Kilo in Bioqualität, wenn zugekauft. Selbst hergestellt nur 3 bis 5 Euro. Der Mehraufwand lasse sich durch entprechende Gerätschaften überschaubar halten. Sein Tipp gegen Foodwaste: Eine richtig gute Waage kaufen und für alles, was aus der Küche in der Gemeinschaftsgastronomie geht, einsetzen.

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„An die Küchen der Gemeinschaftsgastronomie: Kauft euch mindestens eine richtig gute Waage, auf der auch 25 und 50 drauf gewogen werden können. Dann habe ich eine genaue Berechnungsgrundlage, kann eine Portionsgröße festlegen und produziere immer weniger Müll.“
Manuel Poschadel

Kompost für die Gäste

Tanja Goldstein vom veganen Restaurant „Heavens Kitchen“ in Stuttgart (Gewinner Deutscher Gastro-Gründerpreis 2023) hat eine teure Kompostieranlage in den Keller stellen lassen, weil sie das Thema Müllvermeidung auf das nächste Level heben will: Organische Abfälle aller Art, die im Rahmen der Produktion nicht weiterverarbeitet werden können, werden darin in Batches à 25 Kilogramm zu Kompost. Der wird sogar an Gäste verschenkt – eine smarte Sensibilisierung. Auf diese Weise hat man am Ende quasi null Prozent organischen Müll. Und natürlich achte man schon im Herstellungsprozess darauf, Foodwaste zu vermeiden, u.a. indem Rucolastiele zu Pesto, Kartoffelchips aus Wurzelgemüseschalen oder mit dem Kichererbsen-Kochwasser (Aquafaba) ein veganer Eischnee hergestellt wird. Zwar versuche man, so viel wie möglich selbst herzustellen, doch sei dennoch auf angelieferte Produkte angewiesen. Um auch hier weniger Müll zu verursachen, plädiert sie für möglichst große Verpackungen oder Mehrwegbehältnisse – und das nicht nur bei Lebensmitteln, sondern z.B. auch bei Putzmitteln.

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„Die Vision der Müllvermeidung an die Gäste herantransportieren, auch wenn es nur kleine Impulse sind, um einen höheren Impact zu erzeugen.“
Tanja Goldstein

Aus ist – und gut ist

„Im Bremer „Radisson Blue“ arbeitet die Küche mit KI: Das System von „Winnow“ misst den Müll mit Tablet, Kamera und Waage. Alles, was abfällt (Abschnitte und Tellerabfälle) wird gemessen und kategorisiert, nach Uhrzeit, Gewicht und Art des Abfalls. Nach rund einem Jahr im Einsatz habe man bereits einige Einsparungen erreicht und Anpassungen vorgenommen, so Küchenchef Tim Hoffmann. So hat man die Tellergröße von 32 Zentimetern auf 28 oder 26 reduziert. Effekt: Es wird weniger „aufgetellert“, was am Ende übrigbleibt. Wer nach einem Teller noch nicht satt ist und sich einen zweiten holt, tut dies bewusst. Die „Müllpolizei“, wie Hoffmann die KI nennt, sorge auch dafür, dass man im Team viel mehr auf genauere Produktion und Angebotsausrichtung achte, so Hoffmann. Auch wenn es manchmal nervt und Neues am Anfang immer schwer zu akzeptieren sei: „Es ist ein Austreten aus der Komfortzone, aber irgendwann macht man es einfach.“ Und ist ein Gericht einmal aus, dann ist es auch gut so – und ein guter Grund für Gäste, wiederzukommen, so Hoffmann.

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„Jeder muss seinen Beitrag leisten, etwas für die Umwelt und die Nachhaltigkeit zu tun. Nicht alles zerdenken, sondern einfach machen. Auch die kleinen Dinge summieren sich und haben letztlich einen großen Impact.“
Tim Hoffmann

Weitere Informationen zum Gastro for Future Online-Summit: www.gastroforfuture.de

Text: Jan-Peter Wulf, Bild: Unsplash

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