Regionale Lieferketten: Schlüssel zu mehr Wirtschaftlichkeit?

Beim 1. Gastro for Future Online-Summit von Greentable stellten wir vier Branchen-Expert*innen diese Frage: Sind regionale Lieferketten der Schlüssel zu mehr Wirtschaftlichkeit und wenn ja, wie?


Es antworteten und diskutierten: Jana Jung-Irrgang von Die Gemeinschaft, Berlin, Lukas Dillinger, Food Innovation Strategist, München, Jan Willem Appeltrath vom Gasthaus Willems, Mainz und Oliver Firla von Feinheimisch, Kiel

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Aufzeichnung des Panels „Regionale Lieferketten“

Fang im Kleinen an

Jan Willem Appeltrath, der in Mainz das „Gasthaus Willems“ und weitere gastronomische Konzepte betreibt, wies eingangs darauf hin, dass Regionalität ein Marathon, kein Sprint ist: Auf regionale Produkte und Lieferketten zu setzen, bringe Mehraufwand mit sich. Es brauche Zeit, Muße und Geld, ein solches Netzwerk aufzubauen und in den Großhandel zu fahren, sei natürlich wesentlich einfacher. Aber: Es wird honoriert, nicht nur bei den Gästen, sondern auch bei den Mitarbeitenden, zumal in einem Arbeitnehmermarkt. Ein „grünes“ Unternehmen zu betreiben, werde zu einer Anforderung. Bei jungen Menschen beobachtet er ein großes Interesse an der Art und Weise, wie sein Betrieb (nachhaltig) wirtschaftet. Transparenz ist der Weg, um die Regionalität Gästen zugänglich zu machen: Auf der Webseite und vorne in der Karte ist eine Karte abgebildet, auf der zu sehen ist, woher das Brot, das Fleisch oder der Fisch bezogen werden und wie weit bzw. nah der Erzeugerbetrieb entfernt ist. Undogmatisch, dafür emotional aufgeladen. Man müsse es „sexy rüberbringen“, so sein Fazit.

GreenDo
„Schnapp dir eine Person in deinem Unternehmen und mach sie zur „Regional-Beauftragen“. Fang im Kleinen mit der Umstellung an – mit einem Apfel, einer Kartoffel oder dem Spülmittel. Gehe in kleinen Schritten voran und verlange nicht zu viel von dir selbst.”

Jan Willem Appeltrath

Der Blick über den Tellerrand lohnt immer

Lukas Dillinger ist einer deutschsprachigen Experten schlechthin, wenn es um den Aufbau regionaler Lieferstrukturen, aber auch um die Entwicklung von Genussregionen ist. Er ist überzeugt, dass sich über die Gastronomie ganze Regionen entwickeln lassen und ihr agrokulinarisches Potential noch viel besser genutzt werden kann. Es gehe um das Zusammenspiel von Tradition und neuen Ansätzen in der Vermarktung, um Kommunikation aber auch um Bildung, darum, ein Bewusstsein für die Zusammenhänge zu schaffen. Warum brauchen wir Transformation, so seine Gegenfrage. Weil wir die Klimakrise eindämmen müssen, eine bessere Ernährung brauchen, aber auch mehr genießen dürfen – eine regional orientierte Gastronomie kann hier Teil der Lösung sein. Jeder gastronomische Betrieb sollte sich in diesem Sinne als Plattform für Kommunikation, Vermarktung und Bildung verstehen. Regionalität ist immer einzigartig, weil jede Region einzigartig ist.

GreenDo
„Der Blick über den Tellerrand lohnt immer. Erweitere deinen Horizont. Baue neue Beziehungen auf. Erkunde deine Region und lerne die Menschen kennen. Versuche, in der Arbeit mit deinem Netzwerk immer nur Win-Win-Win-Situationen zu denken – dass es für dich passt, dass es für dein Gegenüber passt und dass es planetarisch in Ordnung ist.”
Lukas Dillinger

Aus der Region – für die Region

Oliver Firla vom „Odins Haddeby in Busdorf macht es griffig: Wenn man Gäste die Region schmecken lässt, generiert man Wertschöpfung für die Region. Wenn er seiner regionalen Hofkäserei 8 Tonnen Käse pro Jahr abnimmt, dann kann dieser Betrieb damit rechnen und entsprechend planen. Derzeit gebe es viele Generationswechsel auf den Höfen, es kommen junge Leute, die etwas bewegen wollen. Wenn eine selten gewordene Schweinerasse wie die Bunte Bentheimer gezüchtet wird, oder alte Apfelsorten, der Kümmel für die Wurst von der Schley kommt oder man Büffelmozzarella aus Schleswig-Holstein verwendet, dann bringt dies zudem auch ein schönes Storytelling für die Gastronomie mit sich. Der Mitgründer von Feinheimisch rät dazu, sich schrittweise ein bio-regionales Lieferantennetzwerk aufzubauen – in seinem Fall wird dies extern geprüft und ein entsprechendes Siegel vergeben, das je nach prozentualem Anteil der Produkte aus der Region, die verwendet werden, von Bronze über Silber bis Gold steigt.

GreenDo
„Geht mit regionalen Produzenten in den Austausch. Plant gemeinsam Produktion und Abnahmemengen und bündelt Lieferwege.”
Oliver Firla

Verbindungen zwischen den Menschen schaffen

Jana Jung-Irrgang von Die Gemeinschaft aus Berlin stellte zum Abschluss heraus, dass Regionalität, über die logistischen Anforderungen hinaus, auch direkte Beziehungen und Verbindungen zwischen den Menschen benötige – zum Beispiel zwischen denjenigen, die Lebensmittel erzeugen und denjenigen, die sie in den Küchen verarbeiten. Hier sei noch viel Luft nach oben: Die Diversität und Vielfalt, die unsere Landschaften, aber auch wir Menschen und unsere Bedürfnisse auszeichnen, decke das bisherige Lebensmittelsystem bei Weitem nicht ab. Der Austausch zwischen Küche und Landwirtschaft müsse noch viel stärker werden. Mehr Regionalität führe zu mehr Kleinteiligkeit (im positiven Sinne), zu mehr Qualität – und sei ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, so die Expertin. Mit Esskulturwandel hat Die Gemeinschaft in diesem Jahr ein eigenes Format für Austausch und Weiterbildung geschaffen – mehr dazu in unserem separaten Beitrag.

GreenDo
„Fang an, mit einer Person, die in der Landwirtschaft arbeitet, zu reden. Frag sie, was sie braucht, um besser arbeiten zu können.”
Jana Jung-Irrgang

Weitere Informationen zum Gastro for Future Online-Summit auf www.gastroforfuture.de

Text: Jan-Peter Wulf, Bilder: Greentable, Unspash

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