Foodwaste reduzieren – ein zentrales Element der Nachhaltigkeit in der Gastronomie und ein enormer Hebel, um unnötige Kosten einzusparen. Das Problem bislang ist die exakte Ermittlung der Abfallmengen. Moderne Technik macht dies nun möglich – und wie viel Müll, CO2 und bares Geld sich so einsparen lässt, zeigt Greentable-Mitglied „The Lobby“.<
Das zentral gelegene Bremer „Radisson Blu“-Hotel mit seinem Restaurant „The Lobby“ hat 80.000 bis 90.000 Gäste (wenn nicht gerade eine Pandemie über der Welt liegt) per annum; 250 bis 300 Personen pro Tag nutzen das Frühstücksangebot des Hauses. Entsprechende Mengen an Lebensmitteln werden benötigt, und – das ist bei jedem Hotel-Frühstücksbuffet die Herausforderung – es lässt sich nicht wirklich genau vorhersage, wie viel tatsächlich produziert und vorbereitet werden muss, wie viel am Ende übrig bleibt und wie viel davon aus HACCP-Gründen nicht wieder- oder weiterverwendet werden darf. Sprich in der Tonne landet. Versunkene Kosten im wahrsten Sinne des Wortes.
Die Kamera guckt in den Müll
Stichwort Tonne: In der Küche des Hotelrestaurants steht seit einiger Zeit eine Tonne ganz besonderer Art. Es handelt sich um das System von Winnow aus Großbritannien, das ist eine Kombination aus Mülleimer, Waage, Kamera und Display mit Touchpoint. Werden Lebensmittelabfälle in die Tonne gegeben, ermittelt die Waage das Gewicht/die Menge. Die Kamera identifiziert, um welche Art von Food(waste) es sich handelt und auf dem Display werden die Mitarbeitenden darüber informiert. „Auf diese Weise wissen wir zum Beispiel: Heute haben wir drei Kilogramm Eierspeisen weggeworfen“, erklärt Arshi Modhvadia, der F&B-Manager des Hauses: „Und wenn wir uns dessen bewusst werden, können wir die Mengen auch reduzieren.“ Anfangs habe man das Tool manuell mit Informationen füttern müssen, sprich beim Wegwerfen die Art des Lebensmittels – Brötchen, Abschnitte einer Gemüseart und so weiter – eingeben müssen, um welche Art es sich handelt.
Über die Zeit „lernt“ die KI und identifiziert mit seiner Kamera immer besser, was weggeworfen wird, sodass man mittlerweile meist nur noch bestätigen müsse: Richtig, das ist Brokkoli. Oder Ei. Ebenso erkennt das Tool gemischte Tellerabfälle, die Gäste nicht verzehrt haben. Entweder wenn die Augen mal wieder größer waren als der Magen beim Gang zum Buffet, oder wenn beim À-la-carte-Geschäft am Abend zu großzügig portioniert wurde. Auch diese Informationen seien enorm wichtig, erklärt Modhvadia, weil man so eine Anpassung der Portionsgrößen – allgemein oder je Speisenart – vornehmen kann. Aus gefühlt zu viel wird tatsächlich zu viel.
KI liefert handfeste Infos für Korrekturen und Optimierungen
Kurz: Ein Tool wie „Winnow“, es gibt auch andere wie z.B. Kitro aus der Schweiz, sorgt für Transparenz. Was wird weggeworfen? Wie viel? Wie oft? Was zuvor diffus blieb, eine „black box“ aus Foodwaste, wird nun konkret messbar, begreifbar und lässt sich optimieren. Denn natürlich kommt mit einem „smarten Mülleimer“ wie diesem auch die Möglichkeit einher, sich die Zahlen ausgeben zu lassen. Der F&B-Manager und sein Küchenchef Tim Hoffmann erhalten tägliche Reportings, auch das Küchenteam (10 Köch*innen und 3 Auszubildende) bekommt regelmäßige Updates. In Team-Meetings werden die Zahlen ausgewertet und es wird besprochen, was getan werden kann, um den Foodwaste weiter zu senken. Schließlich können die KI-Informationen nur gemeinsam in wirksame Handlungen zur Reduktion der Lebensmittelabfälle überführt werden – zum Beispiel in Form einer Anpassung von Rezepturen oder noch mehr Achtsamkeit im Umgang mit der verwendeten Ware. Modhvadia berichtet, dass man für die Kaffeepausen der Tagungsgäste des Hauses heute weniger vorbereitet als früher. Möchte jemand ein weiteres Stück Kuchen, so kann es ihm binnen weniger Minuten aus der Küche gebracht werden – andersherum muss nun zu viel Gebäck nicht mehr in den Müll wandern, wenn die Gäste nach der Pause sich wieder Flipchart und Co. zuwenden. „Wir erhalten dafür sehr viel positive Resonanz“, berichtet der F&B-Manager.
Die Zahlen zeigen: Es lohnt sich sofort
Lebensmittelabfälle halbieren und Kosten einsparen mittels intelligenter KI-Technik (Foto: The Lobby, Bremen)
In seiner Positionen sind Zahlen das A und O – und die wirft im „Winnow“ genauestens aus: Die Lebensmittelabfälle konnten im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 von 5% auf 2,1% vom Foodumsatz gesenkt werden. In Gewicht ist dies eine Reduktion von 36 Tonnen im Vergleichsjahr auf rund 13 Tonnen bis Ende 2022. In nicht verschwendeten Mahlzeiten sind es 33.000 Stück. In eingesparten CO2 fast 60 Tonnen. Und weil man sich im „The Lobby“ auch die Einkaufspreise von Kartoffeln, Kohlrabi und Co. hinterlegt hat, lässt sich auch der eingesparte Geldbetrag beziffern: Im Jahr 2022 werden es über 40.000 Euro weniger Food(waste)kosten sein – wobei die zwischenzeitlichen Preissteigerungen noch zusätzlich zu berücksichtigen wären.
Somit haben sich die Anschaffungskosten von knapp 6.000 Euro für das Gerät sehr schnell amortisiert, und aufgrund steigender Lebensmittelpreise (gleich steigender Foodwastekosten) bringt die smarte Müllmessung langfristig enorme Einsparungen. Es ist Nachhaltigkeit in jeder Dimension, ökologisch, ökonomisch und sozial – denn es strahlt positiv auf andere ab (weitere deutsche Hotels der Pandox-Gruppe in Berlin, Dortmund oder Lübeck nutzen „Winnow“ ebenfalls), es lässt sich gut für die Kommunikation nutzen (damit beginnt man in Bremen jetzt) und es tut auch der Seele der Köch*innen gut. Denn niemand kocht gerne für die Tonne und umso lieber mit dem guten Gefühl, dass die Speisen verzehrt und genossen werden.
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Text: Jan-Peter Wulf, Fotos: Jan-Peter Wulf, Radisson Blu Bremen