„Kitchen impossible“ auf schwäbisch

06.03.2020 | Beispielhaft, Gastro

Eigentlich weiß Christian Kohnle gar nicht mehr so genau, wie sich das ergeben hat, damals, als er sich entschied, eine Ausbildung zum Koch zu beginnen. Klar war ihm nach seiner Bäckerlehre nur, dass das nicht der Beruf ist, in dem er sein Leben lang arbeiten möchte. „Weil ich aber schon Bäcker war, wurde ich bei der Bundeswehr unter anderem in der Kantine eingesetzt. So war ich auf einmal Koch, obwohl ich eigentlich noch gar keiner war“, sagt Christian Kohnle. Ein Zeichen des Schicksals. Heute, fast 20 Jahre später, ist er tatsächlich Koch. Und kann sich ein Leben ohne diesen Beruf nicht mehr vorstellen.

„Tim Mälzer in schwäbisch“, so hat ihn einmal ein ehemaliger Küchenchef bezeichnet. „Da habe ich mich schon sehr geehrt gefühlt“, sagt der 37-Jährige schmunzelnd. Tim Mälzer ist sein großes Idol. „Einmal mit ihm zusammen in der Küche stehen, das wäre mein Traum.“ Ein Traum, der bisher noch nicht in Erfüllung ging – ein anderer dagegen schon. Seinen Beruf als Koch mit all den Werten zu vereinen, die ihm persönlich am Herzen liegen: Tierwohl, persönlicher Kontakt mit Bauern, Regionalität, Ressourcenschonung und

Wertschätzung von Lebensmitteln. Werte wie diese haben in der Familie des Heubachers schon immer eine große Rolle gespielt. „Mein Papa war ein echter Feinschmecker, als Kind war ich oft mit ihm auf dem Markt einkaufen. Das Familien-Mittagessen am Sonntag war ihm heilig.“ Gemeinsame Mahlzeiten und die damit verbundene Geselligkeit hatten Tradition, jahrelang. Bis der Vater 2009 verstarb. Ein schwerer Schlag für die Familie. „Ich brauchte Abstand zu meiner Heimat“, erinnert sich Christian Kohnle. Acht Jahre lang war er rund um den Bodensee als (stellvertretender) Küchenchef tätig, in Konstanz und der Schweiz, in deutschen und französischen Restaurants, direkt am Ufer oder auf 2500 Metern Höhe. Hing sich richtig rein, in jeden Job. Arbeitete extrem viel, schlief extrem wenig. Bis ihm sein Körper durch einen Tumor in der Nasennebenhöhle zeigte, dass er so nicht weitermachen kann. „Durch die ständigen Wohnorts- und Arbeitswechsel habe ich mich zudem nie irgendwo richtig zuhause gefühlt. Mir wurde klar, dass ich zurück in meine Heimat, mich sortieren und neu orientieren muss.“

Jeder Koch trägt Verantwortung

Diese Entscheidung und eine Reise auf dem Franziskusweg wiesen ihm den Weg. Zwingende Grundlage für seine Arbeit als Koch war ab diesem Moment der Nachhaltigkeitsgedanke. „Lebensmittel so ressourcenschonend wie möglich produzieren, Tiere als Lebewesen betrachten, Nahrungsmittel bewusst konsumieren, seinen Teil zum großen Ganzen beitragen – diese Verantwortung trägt jeder in sich. Vor allem jeder Koch“, betont Christian Kohnle. Heute ist er seit fast anderthalb Jahren Küchenchef bei der ‚Scheunenwirtin‘, einem bio- und demeterzertifiziertem Hofgut in Bartholomä, nur knappe zehn Kilometer von seiner Heimatstadt Heubach entfernt. „Hier kann so kreativ sein, wie ich will, Menüs kreieren, die es so noch nie gab, mit nachhaltiger, im Holzbackofen zubereiteter Kochkunst den Gästen durch meine Menüs den Nachhaltigkeitsgedanken nahebringen.“ Und das alles mit Lebensmitteln, die überwiegend vor der eigenen Haustüre wachsen. „Alles, was geht, beziehen wir aus unserer unmittelbaren Umgebung. Wir legen großen Wert auf den direkten Kontakt mit den Bauern, von denen wir zum Beispiel unser Fleisch beziehen.“ Welches Tier am Ende auf den Tellern seiner Gäste liegt, entscheidet der Koch teils sogar, während er dem Rind in die Augen sieht. „Manchmal ist es fast schmerzhaft zu wissen, dass dieses Tier nur geschlachtet wird, damit die Bedürfnisse der Menschen gestillt werden. Aber nur so kann ein achtsamer Umgang mit dem Fleisch entstehen.“ Reste gibt es nicht. Jedes Tier wird vollständig verarbeitet.

„Für mich ist es die größte Freude, aus wenigen, auch simplen Zutaten, überraschende Menüs zu kochen. Gerne auch gewagte Kombinationen, mit denen Gäste nicht rechnen, bei denen sie vielleicht sogar erst skeptisch sind – die sie am Ende aber umso mehr loben.“ Zum Beispiel Schupfnudeln aus blauen Kartoffeln. Oder Crème Brulée aus roter Bete. „Anhand der Lebensmittel, die es zu diesem Zeitpunkt gibt, entstehen bei mir Bilder im Kopf, die die Hände dann real zusammenfügen“, beschreibt er. Inspiration findet der 37-Jährige immer wieder in der Natur. „Wandern, reisen, Begegnungen mit Menschen, mit anderen, verrückten Köchen aus verschiedenen Ländern, der Austausch mit Familie und Freunden, unter denen es viele gute Hobbyköche und -bäcker gibt, das alles inspiriert mich.“ Vor allem aber spornt ihn täglich ein großer Wunsch an: Vermittler zu sein. Konsumenten nahezubringen, woher Lebensmittel tatsächlich kommen. Was ihre Qualität ausmacht. Wie wichtig Ressourcenschonung und wie verheerend Massentierhaltung ist. „Es ist entscheidend, sich diese Themen täglich ins Bewusstsein zu rufen. Das tun zwar immer mehr Menschen, aber noch lange nicht genug. Das zu verändern, darin sehe ich meinen Auftrag. Und natürlich darin, meine Gäste mit einzigartigen Menüs glücklich zu machen.“

Text: mila; Bildquelle: Frank Fleuchaus

Zur Person
Christian Kohnle (37, ursprünglich aus Heubach) hat seine Ausbildung zum Koch in verschiedenen Betrieben in Heubach und Aalen gemacht. Heute ist er Küchenchef in der Scheunenwirtin in Bartholomä (www.scheunenwirtin.de). Zuständig ist er dort nicht nur für das Essen, sondern auch für das gesamte Drumherum: Planung, Bestellung, Lagerung, Menükreationen, Dienstplan. Und dafür, dass die Zusammenarbeit im Team gut funktioniert. „Das eine der wichtigsten Grundlagen. Kochen muss Spaß machen und junge Leute begeistern. Nur dann hat Gastronomie Zukunft. Klar ist der Ton zwischen uns manchmal schärfer als nötig. Aber wenn wir einen stressigen Tag gemeinsam im Team ausklingen lassen können, dann ist für mich die Welt in Ordnung.“

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