„Wenn man vernünftig kalkuliert, kann man einen Gäste- und Umsatzverlust in Kauf nehmen“

03.02.2022 | Beispielhaft, Gastro

Bratwurst, Hamburger und Fritten: „BÄM FOOD“ aus Siegen ist ein Imbiss, doch kein gewöhnlicher: Gastgeber Alexander Nikolay ein Konzept eröffnet, das zeigt: Fast Food lässt sich auch „slow“ umsetzen, nachhaltig und in der Zusammenarbeit mit regionalen Betrieben. Für seinen innovativen Ansatz erhielt er den Newcomer-Sonderpreis beim „METRO Preis für nachhaltige Gastronomie 2021“. Wir haben mit dem Gründer und Greentable-Mitglied gesprochen.

Alexander, du hast Ende Mai 2021 „Bäm Food“ eröffnet. Warst du vorher schon in der Gastronomie tätig?

Ja, ich bin jetzt 16 Jahre in der Gastronomie. Ich habe eine ganz klassische Ausbildung zum Koch gemacht und dann eine kaufmännische Ausbildung hinterher geschoben, war in Frankreich, Italien und in Österreich. Zuletzt war ich hier in der Region als Leiter von Gastronomieobjekten tätig und habe den Bau eines Hotel und von zwei Restaurants betreut. Die Idee einer Selbständigkeit hatte ich schon seit Jahren, und als es dieses sehr gute Immobilienangebot hier gab, habe ich zugeschlagen.

Warum ein Imbisskonzept?

Die Immobilie war 40 Jahre lang ein Imbiss, und ein Konzept mit Fokus auf To-go-Geschäft ist sicherer – wenn man Qualität hat. Ich wollte Imbiss aber neuer, moderner interpretieren, denn ich habe in den letzten Jahren immer mehr Wert auf Nachhaltigkeit und auf Frische gelegt. Regional, nachhaltig, kurze Wege – das war ein Muss für mich. Tiefkühlware könnte ich nicht authentisch verkaufen.

Was ja sicher eine Herausforderung in dem Segment bist, in dem du unterwegs bist. Wie bist du da herangegangen?

Ich habe schon in den vorherigen Betrieben viele Kontakte knüpfen können. So konnte ich die Leute anrufen: Ich mache was Eigenes. Seid ihr dabei? So hatte ich bereits meine Bauernhöfe, den Draht zu Transgourmet Ursprung und zur Metro. Ich ziehe mir von jedem die Produkte, die zu uns passen. Den kleinen Betrieben kann ich sagen, welche Mengen ich ihnen abnehme. Das ist für deren Planung wichtig, die können nicht einfach drei Rinder zum Schlachter bringen und bleiben dann darauf sitzen.

Eines der Highlights im Bäm Food: Gewürze und Liköre aus eigener Herstellung.

Das heißt, du hast ein Lieferanten-Netzwerk aufgebaut.

Ich habe sieben Tage die Woche geöffnet und an sechs Tagen bekomme ich Ware. Allein Transgourmet, was sehr unüblich für so einen Betrieb ist, kommt dreimal die Woche, weil ich eben keine TK-Ware nehme. Mit den Bauern stehe ich per Whatsapp in Kontakt: Ich brauche soundsoviel Hackfleisch, was könnt ihr liefern? Und wenn der eine Bauer gerade nichts hat, rufe ich den anderen Bauern an. Und auch umgekehrt, die melden sich bei mir und sagen, wann sie wieder schlachten und fragen, wieviel ich möchte. Das ist natürlich mehr Arbeitsaufwand, als wenn ich in einen Ordersatz gehe und einfach bestelle.

Wer sind deine Gäste?

Die Gäste sind sehr gemischt von 18 bis 80 Jahren, alles dabei. Die Älteren bestellen die klassische Currywurst, die Jüngeren gehen auf die Fries und die Burger. Ich streue auch mein Marketing für die entsprechenden Zielgruppen: Print eher für die Älteren, Social Media eher für die Jüngeren.

Hast du Gäste vom Vorgänger „übernommen“?

So gut wie gar nicht. Ich habe das Konzept komplett neu aufgebaut, den Laden völlig neu eingerichtet. Und im Vergleich zum Vorgänger habe ich die Preise um rund 40 Prozent angehoben. Man muss den Mut haben, die Preise zu erhöhen. Gerade bestehende Gastronomen tun sich wahnsinnig schwer damit. Alles wird teuerer, die Ware, das Personal, jetzt der Mindestlohn. Und natürlich ist das schwierig, wenn ich das zehn Jahre nicht gemacht habe. Viele sind auf hohen Umsatz fixiert, vergessen aber, dass Umsatz mit Kosten zusammenhängt. Was ist guter Umsatz, was ist schlechter Umsatz? Das muss man analysieren und die Preispolitik anpassen, damit unter dem Strich mehr hängen bleibt und ich das, was ich verarbeite, mich gutem Gewissen verarbeite.

Deine Bratwurst vom Strohschwein kostet aktuell 2,60 Euro. Das ist wirklich nicht teuer für die Qualität. Wie geht das?

Indem ich direkt vom Erzeuger beziehe, nicht über Zwischenhändler. Man muss immer schauen: Wie hoch ist der Deckungsbeitrag, den ich haben muss?

Was sind deine Tipps, neben der Preisanpassung, wenn es um die Umstellung eines konventionellen Imbisskonzepts auf ein nachhaltiges geht? Viele fühlen ja sicher, das ist nicht mehr zeitgemäß, wie ich das hier mache, wissen aber gar nicht, wie und wo sie anfangen sollen.

Das Imbissgeschäft ist To-go-lastig, ich liege bei 85 Prozent außer Haus. Ich würde darum sagen: Fangt mit der Verpackung an. Das ist das, was der Kunde als erstes sieht. Bekommt er eine Plastiktüte oder eine aus Papier, die er recyclen kann? Natürlich kostet das mehr und anstelle von Verboten sollte die Politik meiner Meinung nach eher Subventionen schaffen für Unternehmen, die nachhaltig sind. Und auch sehr wichtig: Ich muss kommunizieren, was ich tue. Die Gäste müssen verstehen können, warum sich der Laden verändert, was er erreichen will und warum sich dadurch die Preise verändern. Ich muss zeigen: Das ist mein Ziel, ich möchte viel mehr regional beziehen, mit einem hiesigen Bauern, Metzger oder Bäcker zusammen arbeiten, etwas für die Umwelt tun, Plastik vermeiden. Das kann ich nur über die Preise finanzieren. Also muss ich kommunizieren: Darum gibt es die Erhöhung. Man muss in Kauf nehmen, dass dann einige Gäste wegbleiben, aber man wird viele neue hinzugewinnen, die das toll finden. Und wenn man vernünftig kalkuliert, kann man einen Gäste- und Umsatzverlust sogar in Kauf nehmen, weil die Marge steigt.

Woran arbeitest du gerade?

Ich plane die Eröffnung eines zweiten Objekts in der Siegener Innenstadt. Ich sehe die Chance, Nachhaltigkeit dort einem viel größeren Publikum nahe zu bringen. Wir haben zudem gerade das Rebowl-System eingeführt, weil es ist ja schön, dass wir nachhaltige Schalen haben, aber die werden trotzdem weggeworfen. Das Thema Mehrweg muss langsam in den Köpfen ankommen. Da geht noch vieles, und seien es 50 Blatt Papier im Monat, die wir mit elektronischer Buchhaltung einsparen können.

Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg, Alexander.

www.baemfood.de
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Das Interview führte Jan-Peter Wulf

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