Eine Heimat für bedrohte Schweinerassen

18.01.2017 | Beispielhaft

Der Gastronom Kevin Markus, Greentable-Partner und Betreiber der „Hubertus Klause“ in Bladernheim hat ein ambitioniertes Projekt auf die Bahn gebracht: Auf einem Bauernhof, der „Heimat“ im hessischen Niedertiefenbach züchtet er ab sofort Schweine.

Und zwar ganz besondere: Die drei vom Aussterben bedrohten Rassen „Bunte Bentheimer Landschwein“, „Mangalica-Wollschwein“ und „Rotbuntes Husumer“ wird Markus hier in einem ehemaligen Kuhstall heranziehen. Und sie, nach einem „sauguten“ Leben auf dem Hof, der zugleich eine Tier-Erlebniswelt, Eventlocation, Hofladen und Gastronomie ist, schlachten und zu Fleisch und Wurst verarbeiten. Kindergärten und Schulen können sich vor Ort ein Bild davon machen, was es heißt, Nachhaltigkeit in praxi zu betreiben und nach diesem Prinzip zu wirtschaften. Für Gastronomie-Partner unserer Plattform wird Kevin Markus auf seinem „Heimat“-Hof zudem Seminare abhalten. Grund genug also, sich mit dem umtriebigen Gastronomen und Neu-Landwirt – die ersten Schweine sind soeben auf dem Hof eingezogen – zu unterhalten.

Kevin, wie ist die Idee zu „Heimat“ und der Schweinezucht entstanden?

Vor rund anderthalb Jahren habe ich die Leidenschaft zu besonderen Schweinerassen entdeckt. Kurze Zeit nach meiner Eröffnung vom Restaurant. Hier verwende ich auch von Beginn an die besondere Schweinerasse „Schwäbisch-Hällische“ vom meinem Metzger mit eigener Tierhaltung. Ich habe mir als Ziel gesetzt, besondere und vor allem vom Aussterben bedrohte Schweinerassen zu züchten und somit diese zu erhalten. Hierbei ist mir besonders wichtig: im natürlichen Stil!

Was heißt das genau – im natürlichen Stil?

Auslaufstall und Freilandhaltung, Gras, Heu und Getreidemix als Futter. Ich möchte, dass der Mensch, der Konsument, der Gast, wieder wertschätzt, woher sein Fleisch kommt und was für eine Arbeit dahinter steckt. Vor allem, dass diese tollen Tiere mehr verdienen als schlechte Haltung und nach wenigen Wochen im Kühlregal zu liegen.

Kann man eigentlich sagen: Um vom Aussterben bedrohte Schweinerassen zu erhalten, „muss“ man die Tiere essen?

So seltsam es klingt, aber ja. Jedes Kotelett, was du von diesen Tieren isst, dient dem Erhalt. Wichtig ist natürlich hierbei auch die besondere und artgerechte Haltung. Diese Rassen brauchen genügend Auslauf, gerade die Wollschweine lieben es, draußen zu sein. Das ist nun mal der natürliche Werdegang, aber ein besonderer!

Wirst du auch externe Betriebe mit Fleisch beliefern?

Mein Hof wird kein Massenbetrieb sein, ich werde im Jahr höchstens 20 bis 25 Schweine aufziehen können. Lieber kleiner, aber mit besonderer Sorgfalt. Natürlich werde ich das Fleisch vermarkten, aber nur im kleinen Stil. An Metzgereien für den Wiederverkauf und ich werde einen eigenen Hofladen eröffnen, nur für das Samstags-Shopping. Auch Patenschaften werde ich Patenschaften anbieten. Zum Betrag X im Monat bekommst du Kilogramm Y Fleisch pro Jahr. Für das Fleisch gibt es schon jetzt eine kleine Warteliste! Und natürlich werde ich es auch bei mir im Restaurant anbieten.

Gab es Herausforderungen oder Probleme beim „Setup“ dieses besonderen Konzepts? Hast du Unterstützung erhalten und wenn ja, von wem?

Ich hatte extra zwei Grünländer gekauft, um die Schweine dort halten zu können. Leider wurde dies nach vielen Behördengängen nicht genehmigt. Warum auch? Man möchte was Gutes für Mensch und Tier tun, aber die Bürokratie hat wie immer Vorrang! So haben wir lange Zeit nach einem eigenen Hof gesucht und endlich gefunden. Auch hierbei war der Weg sehr steinig. Wann war die letzte Tierhaltung auf dem Hof? Wie groß ist die landwirtschaftliche Fläche? Ist der Hof im sogenannten Innen- oder Außenbereich? Viele Punkte mussten geklärt werden, aber es hat geklappt. Auch das Veterinäramt findet unser Vorhaben klasse und unterstützt uns in allen Fragen. Die lange Mühe wurde belohnt.


Auslauf im Schnee: die „Rotbunten Husumer“ fühlen sich in ihrer neuen Heimat sichtlich wohl

Du wirst zukünftig auch Nachhaltigkeits-Seminare vor Ort geben. Was wird in diesen thematisiert?

Da es auf unserem Hof stattfindet, denke ich, werden wir hier „von vorne“ beginnen, mit folgenden Schlagwörtern: Wer oder was ist dieses Tier? Wertschätzung, Herkunft, Herstellung, landwirtschaftliche Arbeit. Was können wir als Gäste bewirken? Eigenen Fleischkonsum hinterfragen – muss ich wirklich jeden Tag Fleisch essen? Was bedeutet es, den Metzger bzw. den Bäcker um die Ecke zu unterstützen? Ist es wirklich teurer, nachhaltig zu leben? Und: Was kann ich als einzelner Mensch tun, um ein Stück nachhaltiger zu werden?

Was muss aus deiner Sicht passieren, damit die Gastronomie in Deutschland nachhaltiger wird?

Es ist leider ein langer Rattenschwanz, der manche Gastronomen daran hindert, nachhaltiger zu werden. Es fängt schon bei der zu hohen Pacht an und hört bei Gästen ohne Wertschätzung auf. Ich denke, es liegt natürlich auch an dem Gastronomen selbst. Man muss einfach zu hundert Prozent dahinter stehen und es dem Gast vorleben. Ihn davon begeistern. Es ist ja schließlich auch ein Stück Philosophie – jeder möchte besonders sein, dafür muss man aber auch Besonderes tun!

Ändert sich das Konsumentenverhalten?

Es wird so langsam. Ich merke vermehrt, dass der Konsument immer mehr wissen möchte: Wo kommt mein Fleisch eigentlich her? Das heißt nicht, dass er es ausschließlich beim Metzger kauft, aber sich zumindest schonmal einliest und auf Verpackungen etc. schaut: Was ist drin, wo kommt es her? In der Gastronomie gibt es für mich persönlich drei Schichten: Erstens die absoluten Regionalitäts-Liebhaber. Die gehen ausschließlich in Restaurants mit dieser Philosophie. Zweitens die Interessenten: Diese Gäste lassen sich gerne in Restaurants von der Philosophie anstecken und wählen auch meistens solche Gerichte. Diese Schicht kommt gerne wieder, muss es aber nicht täglich haben. Und drittens die Schicht „Hauptsache satt“: Diese Gäste gehen in jegliche Gastronomien, in denen Portionen und Preise stimmen. Herkunft egal, Hauptsache satt.

Dein Hof-Projekt wird ja auch mithilfe einer Crowdfunding-Kampagne realisiert, die u.a. Geräte und Maschinen finanzieren helfen soll. Gab es weitere Förderungen?

Bislang leider nein, aber vielleicht finden sich ja noch Förderer oder Spender!

Wir drücken die Daumen. Ein Projekt wie deines hat es verdient!

Mehr Informationen unter www.heimat-hof.de

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