„Nachgefragt bei…“ Annette Rothweiler, Flux Biohotel in Hann. Münden

16.09.2019 | Gastro

Das „Flux Biohotel“ in Hannoversch Münden macht keine Kompromisse: Hier setzt man zu 100 Prozent auf Bio, Nachhaltigkeit und einen achtsamen Umgang mit Ressourcen. Wie man das in einem so komplexen Gebilde wie einem Hotel umsetzt, haben wir uns von Hotelchefin Annette Rothweiler erklären lassen.

FRAU ROTHWEILER, WENN EIN POTENTIELLER GAST SIE FRAGT, WAS DER UNTERSCHIED ZWISCHEN EINEM BIOHOTEL UND EINEM HERKÖMMLICHEN HOTEL IST, WAS ANTWORTEN SIE IHM?

Bei uns ist alles wie früher. Das Gemüse kommt in Kisten vom Bauern, das Fleisch in ganzen oder halben Tieren, wir kochen alles selbst und das zu 100 Prozent in bio. Alle im Team sind ein wichtiger Teil unserer großen Aufgabe, unseren Gästen ein tolles Erlebnis zu schaffen. Wir arbeiten im Flux unseren Werten entsprechend (diese finden sich auf der Homepage www.flux-biohotel.de ungefähr bis zur Mitte runter gescrollt, Anm. d. Red.) und haben Spaß an unserer Arbeit, miteinander und mit unseren Gästen. Dafür wünschen wir uns die Wertschätzung unserer täglichen Arbeit. Unsere Geschäftspartner und Lieferanten sind Menschen, die wir sympathisch finden und mit denen wir sehr gern zusammenarbeiten.

SIE BETREIBEN EIN HOTEL IN ZWEITER GENERATION UND BESTEHEN SEIT BALD 52 JAHREN. GAB ES EIGENTLICH SCHON ZU DEN GRÜNDUNGSZEITEN EINE NACHHALTIGE AUSRICHTUNG, AUCH WENN DER BEGRIFF DAMALS NOCH NICHT GÄNGIG WAR?

Ja. Bereits in den Neunziger-Jahren haben meine Eltern Kontakt zu regionalen Bio-Bauern aufgenommen. Mein Vater hat regionale Bio-Anbieter, vor allem Erzeuger von Fleisch, vernetzt mit Großversorgern wie der Mensa und der Uniklinik in Göttingen. Bei uns im Flux gibt es schon immer Bioprodukte und Fleisch aus artgerechter Haltung. Uns hat immer die Qualität dieser Produkte überzeugt. Auch die Herkunft war uns schon immer wichtig, sowie der persönliche Kontakt zu den Produzenten.

EIN HOTEL IST KOMPLEX. HOUSEKEEPING, GASTRONOMIE, KONFERENZ- UND EVENTGESCHÄFT, FUHRPARK UND VIELES, VIELES MEHR. WIE STELLT MAN EIN HOTEL AUF BIO UM, UNIT FÜR UNIT? WOMIT FÄNGT MAN AM BESTEN AN?

Nachdem die Öko-Verordnung 2007 in Kraft trat, waren wir zunächst verunsichert. Aber uns war klar: Wir wollen Bio. Nachdem dieser Wunsch geäußert war, ging alles ganz einfach. Der entscheidende Schritt ist, die Entscheidung zu treffen und dann den ersten Schritt zu tun. Wir haben in kürzester Zeit auf 100 Prozent Bio bei Speisen und Getränken umgestellt. Wir haben kurz mit einer Teilzertifizierung experimentiert, die hat sich jedoch als nicht praktikabel erwiesen. Ganz oder gar nicht – und das war gar nicht schwer. Einfach machen, einfach nur Bioprodukte kaufen.

Dennoch: Bio macht man nicht als Marketing-Gag, es ist eine innere Überzeugung. Wenn man dann erst mal drin ist in der Thematik, kommt der Rest ganz von selbst. Ein Schritt nach dem anderen und auch die kleinen Veränderungen tragen ihren Teil zum großen Ganzen bei.

FLUX Biohotel Werratal

IHR HAUS IST IM VEREIN „BIO HOTELS“. WAS MUSS MAN LEISTEN BZW. VORWEISEN, DA HINEINZUKOMMEN?

Die Voraussetzung ist zunächst, die Speisen und Getränke in Bioqualität anzubieten. Es kann eine Phase der Umstellung geben und Ausnahmeregelungen sind nach Absprache möglich. Die Vereinsbetreuung von „Bio Hotels“ ist sehr hilfsbereit, immer ansprechbar und unterstützt bei allen Fragen und Sorgen. Die ca. 100 Mitgliedsbetriebe in Deutschland, Österreich, Schweiz bieten neben den Speisen und Getränken in Bioqualität auch noch andere biologische Komponenten an: Alle haben ausschließlich Ökostrom, zertifizierte Hotelkosmetik, Recyclingpapier, ökologische Reiniger und Waschmittel. Alle Hotels ermitteln regelmäßig ihren gesamten Co2-Ausstoß, der in der Regel weit unter dem eines konventionellen Hotels liegt. Der Aufenthalt in den meisten Häuser ist dank diverser Ausgleiche klimaneutral. Wir sind ein bunter Verein mit sehr individuellen Häusern, die sich gegenseitig unterstützen und bereichern. Alle folgen demselben Gedanken. Der Verein bietet gemeinsame Marketingaktionen über die eigene Agentur, interne Fortbildungen und inspirierende Versammlungen regional und überregional an.

WIE OFT WIRD MAN KONTROLLIERT?

Es gibt jährlich eine angekündigte und eine unangekündigte Kontrolle einer unabhängigen Bio-Kontrollstelle.

DEUTSCHLAND HAT RUND 11.000 HOTELS, NUR EIN SEHR KLEINER TEIL IST BISLANG BIOZERTIFIZIERT. WARUM?

Ich glaube es liegt vor allem daran, dass man es ernst meinen muss, ansonsten wird man vom Gast schnell durchschaut und ist dann unglaubwürdig. Und weil es Arbeit macht und man sich mit der Thematik intensiv auseinandersetzen sollte. Das wollen und können viele nicht. Man muss flexibel sein und mit kurzfristigen Angebotsänderungen umgehen können. Manchmal gibt es eben gerade keinen Spinat. Okay, dann nehmen wir eben Mangold. Für uns ist das kein Problem, für andere vielleicht schon. Nicht überall gibt es eine gute Infrastruktur für Bio-Großverbraucher, vielleicht hapert es auch manchmal daran. Dennoch wird es immer eine Lösung geben, wenn man seinen Betrieb auf Bio umstellen will. Davon bin ich überzeugt.

MIT „BIOLOGISCH“ VERBINDEN VIELE BETREIBER, OB HOTELLERIE ODER GASTRONOMIE, AUCH „TEURER“. IST ES GRUNDSÄTZLICH TEURER ODER KÖNNEN SIE BESTÄTIGEN, DASS ES SOGAR EINSPARPOTENTIAL GIBT?

Zu meinem biologischem und unternehmerischem Grundverständnis gehört, das wir eine gesellschaftliche Verantwortung haben. Es steht nicht nur die Gewinnmaximierung im Vordergrund. Natürlich denken wir betriebswirtschaftlich und unser Unternehmen muss gewinnorientiert arbeiten, damit wir wieder ins Unternehmen investieren und weiter am Markt bestehen können. Viele Bioprodukte sind gar nicht teurer, dafür aber qualitativ so viel besser. Wir kaufen bewusst regional und saisonal ein, verwenden keine Flugware und die Tiere kaufen wir, wenn möglich, im Ganzen von regionalen Bauern. Das ist gut für alle.

WORAN ARBEITEN SIE ZURZEIT?

Zurzeit versuche ich eine gute Balance zwischen dem operativen Geschäft und der Visionsarbeit fürs Flux zu finden. Wir suchen immer wieder nach neuen Strategien, um uns den Veränderungsprozessen auf dem Arbeitsmarkt anzupassen. Aktuell beschäftigen wir uns im Team intensiv mit interner Kommunikation. Darüber hinaus wollen wir mit unserem Angebot Vorreiter und Vorbild sein, dabei ist auch immer alles im Prozess. Alles fließt.

Vielen Dank, Frau Rothweiler.

Text: Jan-Peter Wulf

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