Nachhaltigkeit in der gastronomischen Praxis: „FEC Tuesday“ in Berlin

23.10.2017 | Gut zu wissen, Trends

Wie lässt sich das Thema Nachhaltigkeit im gastronomischen Alltag ein- und umsetzen? Darum drehte sich die 18. Ausgabe des „FEC Tuesday“ des „Food Entrepreneurs Club“ am 17. Oktober 2017 im Halleschen Haus in Berlin. Vier Gäste hatte FEC-Gründerin Stefanie Rothenhöfer für dieses Thema zur Paneldiskussion geladen: Victoria Eliasdóttir, Therese Breyer, Nadja Flohr-Spence und Peter Duran. Hier sind ihre Erfahrungen und Tipps.

Die Köchin Victoria Eliasdóttir leitete zuletzt das Restaurant „Dóttir“ in Berlin und kocht jetzt im „The Studio“, dem Atelier ihres Bruders und weltbekannten Künstlers Olafur Eliasson. Hier arbeiten bis zu 90 Personen an den aktuellen Kunstprojekten und essen gemeinsam zu Mittag. Eliasdóttir berichtete, dass die Kantine mit einem Verbund großer und kleiner Lieferanten nachhaltiger und ökologischer Lebensmittel – vorwiegend aus der Region Berlin – langfristig zusammenarbeitet. Wie in vielen Kantinen hat man auch im „The Studio Kitchen“ eine Obergrenze für den Preis pro Essen avisiert, er beträgt drei Euro. Man kocht ausschließlich vegetarisch und Eliasdóttir ist fest davon überzeugt: In Zukunft werde der Fleischkonsum weiter zurückgehen und muss es auch, denn nur so lasse sich wirklich nachhaltig im Foodbereich arbeiten. Ihr Tipp für Gastronomen: „Do it“ – nur durch tägliche Praxis entsteht Nachhaltigkeit. Zum Foodkonzept von „The Kitchen“ ist auch ein gleichnamiges Rezeptbuch erschienen.

Therese Breyer ist in der Kreuzberger „Markthalle Neun“ für dessen Lieferservice zuständig, der Betriebe und Privatpersonen mit Lebensmitteln der Markthallenpartner aus der Region versorgt. Wer als Gastronom auf einen nachhaltigen Einkaufsverbund zurückgreift, der minimiert seinen zeitlichen und logistischen Aufwand im Bestellprozess – zudem erweise sich die individuelle Abstimmung mit Bauern und Produzenten als teilweise schwierig, so Breyer. Dank langfristiger Beziehungen zu den Partnern könne der Lieferservice der Markthalle Mengen und Lieferfristen gewährleisten. Ihr Tipp für Gastronomen, die sich dem Thema Nachhaltigkeit zum ersten Mal widmen: Mit einem einfachen Bereich anfangen – zum Beispiel dem Bezug bestimmter Waren – und möglichst mit Partnern zusammenarbeiten, die Expertise und logistische Lösungen für das Thema mitbringen.

Nadja Flohr-Spence
Podiums-Diskussion im Halleschen Haus. Links: Nadja Flohr-Spence von der Sustainable Food Academy

Nadja Flohr-Spence ist Co-Gründerin der „Sustainable Food Academy“ und hilft Unternehmen, nachhaltige Strategien für ihr Foodkonzept aufzubauen und zu verbessern. (Mehr dazu im Interview, das wir mit ihrer Geschäftspartnerin Denise Loga geführt haben). Sie wies darauf hin, dass Nachhaltigkeit auch die Mitarbeiter einbeziehe: Neben einer fairen Bezahlung bedeute dieses auch, dass das nachhaltige Gesamtkonzept von jedem im Team verstanden und mitgetragen werden müsse. Darum rät sie dazu, im Team zu den Erzeugern und Produzenten zu fahren, mit den Bauern ins Gespräch zu kommen, den Menschen hinter den Produkten kennen zu lernen. „Das verändert Mitarbeiter“, ist ihre Erfahrung. Ihr Tipp für Gastronomen schließt sich daran an: Wer nachhaltig arbeiten will, sollte bei seinem Team damit anfangen – nur so kann eine Strategie zur Praxis werden.

Peter Duran ist Co-Gründer von „Isla Coffee“ (www.facebook.com/Islacoffeeberlin) in Neukölln, das mit nachhaltigen Ver- und Gebrauchsprodukten arbeitet. „Kaffee geht auch anders“ ist das Motto: Die fair gehandelten Spezialitätenkaffees werden je nach Saison in den Anbaugebieten eingekauft, die Belieferung erfolgt weitgehend in wiederverwertbaren bzw. wiederbefüllbaren Behältnissen, man versucht den Grad an Verpackungsmaterial stetig zu senken. Mit einer „Einkaufshierarchie“, die bestimmte Kriterien vorgibt, die für einen Kauf erfüllt sein müssen, systematisiert man den Beschaffungsprozess im Café für die Mitarbeiter mit Hinblick auf Nachhaltigkeit. Duran berichtete, dass gerade ältere Cafégäste zunächst oft von den verwendeten Tassen und Untertassen irritiert seien – kein Porzellan? Erkläre man ihnen aber, dass sie aus gepresstem Kaffeesatz bestünden und somit Kaffee-Direktrecycling sind, dann seien viele geradezu begeistert. Sein Tipp für Gastronomen: Mit einem nachhaltigen Lieferanten bzw. Lieferservice beginnen. Dies sei unaufwändig und führe schnell zu ersten Ergebnissen.

Mehr Informationen zum „Food Entrepreneurs Club“ und der monatlichen Veranstaltungsreihe „FEC Tuesday“: http://foodentrepreneursclub.com

Text: Jan-Peter Wulf

Wir empfehlen

Ähnliche Beiträge

Hosting is an agricultural act!

Hosting is an agricultural act!

Wer mit seiner Gastronomie regionale Food-Netzwerke stärkt, stärkt auch die bäuerliche Landwirtschaft. Ein Kommentar von Jan-Peter Wulf Wenn ein Traktor im Sommerlicht über das...

Gestalten Sie mit uns eine zukunftsfähige Gastronomie, werden Sie Mitglied bei Greentable!