„Essen in Mehrweg“ macht mobil gegen den Takeaway-Müll

08.10.2020 | Beispielhaft, Gastro

Corona hat das Thema Takeaway und Delivery in der Gastronomie deutlich beschleunigt: Viele Betriebe bieten seitdem Essen außer Haus an. Mit dem wachsenden Zusatzgeschäft wächst aber auch der Plastikmüllberg. Nachhaltige Lösungen müssen her – dafür setzt sich „Essen in Mehrweg ein“. Greentable war bei einer Online-Konferenz der Initiative dabei.

Das Problem in Zahlen: Jährlich müssen die deutschen Kommunen rund 700 Millionen Euro aufwenden, um ihre Parks und Straßen sauber zu halten. Ein Fünftel des Müllvolumens stammt dabei einer Studie des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) zufolge von Einweg-Takeaway-Verpackungen und Zigaretten, das wären somit 140 Millionen Euro Kosten. Tendenz steigend: Um sage und schreibe 413 Prozent ist der Verbrauch von Menü- und Snackboxen seit 1994 explodiert, bei Bechern und Tassen sind es gar 491 Prozent. „To go“ ist en vogue und der Außer-Haus-Verkauf in der Gastronomie hat mit dem Corona-Lockdown im Frühjahr noch einmal mehr an Relevanz zugenommen.

Der Trend zum Mitnahme-Geschäft lässt sich nicht umkehren. Und es sei verständlich, dass die Gastronomen gerade in Coronazeiten mit Takeaway ein Geschäft machen wollen – und deswegen brauche es nachhaltige Lösungen: Beim Thema Getränken sei man in Sachen Mehrweg schon recht weit, bei Takeaway-Lösungen für die Gastronomie hingegen noch nicht. So skizzierte Dr. Alexander Janz, stellvertretender Referatsleiter beim BMU, die aktuelle Situation in seinem Grußwort bei der ersten digitalen Fachtagung zu Mehrweg in der Gastronomie von „Essen in Mehrweg“.

Der Berg an vermeidbaren Einwegverpackungen erreicht Rekordwerte

Mehrweg muss die Lösung sein

„Essen in Mehrweg“ ist eine bereits 2017 gegründete Initiative von LIFE Bildung Umwelt Chancengleichheit e.V. (Berlin), dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) – Landesverband Bremen e.V. und dem ECOLOG-Institut für sozial-ökologische Forschung und Bildung gGmbH in Hannover. Mehrweg müsse die Lösung sein, betonte die Geschäftsführerin von ECOLOG, Dr. Silke Kleinhückelkotten: Zwar komme es 2021 mit dem neuen Verpackungsgesetz, das im schönsten Bürokratiedeutsch Einwegkunststoffverbotsverordnung heißt, zu Verschärfungen und teilweisen Verboten von bestimmen Kunststoffartikeln. Doch damit einher gehe leider keine explizite Förderung von Mehrweg-Angeboten. Möglicher Effekt: „Einweg könnte durch Einweg ersetzt werden“, so Kleinhückelkotten. Sie berichtete den rund 130 Teilnehmer*innen aus Gastronomie, Verbänden, Initiativen und Start-ups, dass die Klimabilanz von Mehrweg-Behältnissen, obschon deren Produktion aufwändiger ist, bereits nach zehn Nutzungen besser als die von Einwegverpackungen ist. Je häufiger die Nutzung und je länger die Lebensdauer eines Mehrweg-Behältnisses, desto umweltfreundlicher.

Komplexe Thematik für die Gastronomie

Dass Mehrweg zur Abfallreduktion und zu einer positiven Klimabilanz beiträgt, ist ein klarer Pluspunkt. Doch die Gastronomie braucht mehr: Zum Beispiel Antworten auf Fragen, was es kostet, was die Hygiene und die damit verbundene Rechtssicherheit betrifft (besonders in Corona-Zeiten), wie das Handling erfolgt und vor allem: Ob sich der Mehraufwand mit Mehrweg überhaupt lohnt. Wie so oft geht es um das Erreichen einer kritischen Masse. Mehrwegsysteme in der Gastronomie werden jenseits von Insel- oder Individuallösungen, die es schon gibt – nur dann erfolgreich sein und Ergebnisse in der Abfallreduktion zeitigen, wenn der Pool der Teilnehmenden groß genug ist. Sowohl auf Seiten der Gäste als auch auf Seiten der Betriebe. Behältnisse müssen in möglichst vielen Betrieben je Stadt oder Stadtteil, besser noch überregional akzeptiert, ausgegeben und auch wieder zurückgenommen werden. Beim Thema Kaffeebecher ist man hier in einigen Kommunen schon ein Stück vorgedrungen – mehr dazu hier. Mehrweg-Schalen, -Schüsseln oder -Teller hingegen sind noch selten. Das Thema ist komplex, wie eine Systematik, die Dr. Silke Kleinhückelkotten den Teilnehmenden der Fachtagung vorstellte, veranschaulicht:

Erste Anbieter tummeln sich im Mehrweg-Markt

Immerhin: Es ist nicht mehr alles graue Theorie. In Bremen und Berlin hat „Essen in Mehrweg“ bereits zwei Pilotprojekte am Laufen. So wird in der Hauptstadt zurzeit eine Mehrwegkiste getestet, die u.a. an Arztpraxen, Kanzleien und Büros ausliehen wird, damit deren Beschäftigte sich mittags mit den bereitgestellten Gefäßen statt im Einwegbehälter etwas zu essen holen. Und auch tummeln sich erste Anbieter in diesem jungen Markt mit Wachstumspotenzial: Diverse Start-ups, die Mehrwegsysteme für die Gastronomie etablieren wollen, stellten sich in kurzen Pitches vor. Darunter auch der Greentable-Partner reCIRCLE, dessen wiederverwendbare Behältnisse in diversen Formen bis zu 200 Mal genutzt werden können.

Quo vadis? Abschließend waren die Konferenzteilnehmenden gefragt, in kleinen Gruppen Fragestellungen zu erarbeiten – was auch digital erstaunlich gut funktionierte. Eine Auswahl der zahlreichen Fragen:

– Wie kann Mehrweg mit Unterstützung der Politik zum Standard etabliert werden?
– Wie lassen sich Lieferservices für Mehrweg gewinnen?
– Können sich Anbieter zusammenschließen, zum Beispiel durch gemeinsame Rückgabestellen?
– Wie tritt man an die Gastronomie jenseits der Idealisten ran?
– Und was passiert mit Mehrweg-Behältnissen, die außer Dienst treten?

Im Frühjahr 2021 soll es ein nächstes Forum geben, auf dem Best-Practise-Beispiele aus Kommunen und eine Aktionswoche vorgestellt werden. In Kürze erscheint zudem eine Auflistung aller aktuell verfügbaren Mehrweg-Systeme.

Mehr Informationen: www.esseninmehrweg.de

Autor: Jan-Peter Wulf

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