Nachhaltigkeit ist in aller Munde. Das Wort wird in den Medien inflationär verwendet. Es ist fast unmöglich geworden, nicht tagtäglich mit dem Thema konfrontiert zu werden. Aber was bedeutet Nachhaltigkeit eigentlich? Und welche Chancen ergeben sich daraus für die Gastronomie- und Hotellerie-Branche?
Der Begriff wurde in der deutschen Sprache erstmals vor rund 300 Jahren im forstwirtschaftlichen Kontext verwendet. Hans Carl von Carlowitz gilt als Begründer der Nachhaltigkeit. Er beschrieb in seinem Werk „Sylvicultura oeconomica“ einen langfristig angelegten und verantwortungsbewussten Umgang mit dem Anbau von Holz als nachhaltig. Es sollte nicht mehr Holz gefällt werden, als jeweils nachwachsen kann. Dieses Prinzip aus der Forstwirtschaft lässt sich allgemeingültig auf alle anderen Lebens- und Wirt-schaftsbereiche anwenden. Laut Duden handelt es sich bei Nachhaltigkeit zum einen um eine „längere Zeit anhaltende Wirkung“. Zum anderen um ein „Prinzip, nach dem nicht mehr verbraucht werden darf, als jeweils nachwachsen, sich regenerieren, künftig wieder bereitgestellt werden kann“.
Seit der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung im Jahr 1992 definiert der Begriff Nachhaltigkeit, dass gleichrangig ökologische, ökonomische und soziale Ziele angestrebt werden. Dabei wird der Anspruch gestellt, dass die Ziele für alle Länder der Welt und für künftige Generationen gelten, sogenannte globale Gerechtigkeit sowie Generationengerechtigkeit. Ist folglich von „Nachhaltigkeit“ die Rede, ist nicht nur Umweltschutz gemeint. Im „Drei-Säulen-Modell“ der Nachhaltigkeit werden ökologische, ökonomische und soziale Komponenten miteinander vereint (siehe Skizze).
[1] Vgl. Hans Carl von Carlowitz: Sylvicultura oeconomica. Braun, Leipzig 1732, S. 105.
Soziale Nachhaltigkeit
Familienunfreundliche Arbeitszeiten, hohe Arbeitsbelastung und oftmals schlechte Bezahlungen haben zur Folge, dass die Gastro-Branche auf den ersten Blick unattraktiv erscheint. Viele Betriebe haben mit hoher Mitarbeiterfluktuation und Fachkräftemangel zu kämpfen. Um gute Mitarbeiter/-innen zu halten und engagiertes, neues Personal zu finden, ist es essentiell sich als attraktiver Arbeitgeber auf dem Arbeitsmarkt zu positionieren. Denn die Gastro-Branche kann ganz anders sein: eine zweite Familie, in der man sich wohl fühlt, und die gelegentlichen Strapazen gerne auf sich nimmt. Nur wie gelingt das?
Mitarbeiter sind die „Human Stars“
Zuallererst muss sich die Führungsriege darüber bewusst werden, dass die Mitarbeiter/-innen die „Human Stars“ ihres Unternehmens sind. Das Essen kann noch so gut sein, wenn der Service schlecht ist, vergrault das die Gäste. Am einfachsten ist es, mit Hilfe eines externen Partners Themen wie Wertschätzung, Dankbarkeit, eine offene Fehlerkultur und Motivations-Maßnahmen zu erarbeiten, denn neben einer angemessenen Bezahlung und einem ernst gemeinten „Danke“ wird vom Arbeitgeber heutzutage mehr erwartet. Dazu gehören beispielsweise Maßnahmen, die den Team-Spirit fördern. Wird regelmäßig Feedback eingeholt? Haben die Mitarbeiter/-innen Mitspracherecht, wenn es um die Aufnahme eines neuen Teammitglieds geht? Gibt es regelmäßige Betriebsausflüge?
Auch bei strategischen Themen, wie der Neuausrichtung zu mehr Nachhaltigkeit, macht es Sinn gleich zu Beginn die eigenen Mitarbeiter/-innen mit einzubeziehen und diese aktiv zu involvieren. Dies motiviert und zeigt, dass die Meinung jedes/r einzelnen Mitarbeiter/-in zählt. Somit wird Vertrauen geschaffen und Wertschätzung ausgedrückt. Wird Nachhaltigkeit im Unternehmen verankert und das Thema weit oben auf die Agenda gesetzt, werden es alle Beteiligten spüren. Leider wirtschaften aktuell noch nicht alle Unternehmen nach dem Credo „Enkeltauglichkeit“[1], so dass dieser Aspekt immer noch als Wettbewerbsvorteil gilt. Der Prozess und die Entwicklung hin zu einem attraktiven Arbeitgeber unter den oben beschriebenen Gesichtspunkten ist nicht einfach und passiert nicht von heute auf morgen. Dennoch zeigen vorbildliche Betriebe, wie zum Beispiel der Schindlerhof in Nürnberg, dass es machbar ist und sich langfristig auch wirtschaftlich rentiert: Ihre Gäste werden es spüren, wenn Ihre Mitarbeiter/-innen zufrieden sind und auch die Rekrutierung von neuem Personal wird einfacher.
„Unter Enkeltauglichkeit versteht man nachhaltiges Wirtschaften, das die Lebensgrundlagen für zukünftige Generationen – auch die der Enkelkinder – nicht gefährdet.“
Think global, act local
Als Unternehmen gilt es heutzutage nicht mehr nur als profitgetriebene Einheit zu agieren, sondern sich als Teil des ganzen Ökosystems zu sehen. Denn nur wer verstanden hat, dass wir alle voneinander abhängig sind und alles Handeln weitreichende Auswirkungen hat, der wird in der Lage sein sich langfristig Erfolg zu sichern. Die Globalisierung hat viele Vorteile. Wir sollten dennoch unsere Region und die vorhandenen regionalen Strukturen nicht vernachlässigen. Das Produkt aus China ist gegebenenfalls günstiger, aber der Kundenservice für Rückfragen womöglich erschwert, wenn nicht sogar gar nicht vorhanden. Daher sollten wir wieder verstärkt auf regionale Partner, Lieferanten, Produkte und Dienstleister setzen. Auch soziales Engagement in der Region zahlt sich aus. Sei es eine Geldspende oder die Möglichkeit, dass Mitarbeiter/-innen für einen Tag im Jahr freigestellt werden, um an einem sozialen Projekt mitzuhelfen. Es wird Ihren Betrieb bereichern.
Autenthisch und transparent
In Zeiten von Facebook und Instagram wird authen-tische Kommunikation immer wichtiger. Durch „Storytelling“ – das Erzählen von Geschichten – werden Erlebnisse geschaffen und eine emotionale Verbindung zum Gast hergestellt. Am besten wird ein Profi zu Rate gezogen, der das Thema mit anstößt, damit alles Hand und Fuß hat und man nicht Gefahr läuft, „Greenwashing“ zu betreiben.
„Greenwashing bezeichnet man Kommunikationsmaßnahmen von Unternehmen, welche die eigenen Aktivitäten als umweltfreundlich und verantwortungsbewusst darstellen, obwohl dafür die Grundlagen hierfür nicht vorhanden sind.“
Ökonomische Nachhaltigkeit
Nur wer auch finanziell gut haushaltet, kann langfristig bestehen. Daher ist es notwendig, dass die zweite Säule der Nachhaltigkeit die ökonomische Komponente darstellt. Dabei geht es nicht darum, Gewinne auf Kosten Anderer zu maximieren, sondern so viel zu erwirtschaften, dass aus dem Profit re-investiert und Rücklagen gebildet werden können. Leider ist Nachhaltigkeit oftmals mit dem Vorurteil behaftet, stets mehr zu kosten.
Das ist allerdings per se nicht korrekt, denn durch die Optimierung der Energieeffizienz und vor allem durch Einsparungen im Energiebereich lässt sich bares Geld sparen. Strom ist teuer – daher macht es an dieser Stelle durchaus Sinn, Prozesse und Gerätschaften zu überprüfen und Einsparpotenziale zu nutzen. Alleine durch den Austausch einer herkömmlichen Glühbirne von ca. 60 Watt auf eine LED mit ca. 6 Watt lassen sich bis zu 90% der Stromkosten reduzieren.
„Gut“ wirtschaften zahlt sich aus
Auch der Bereich Personal bietet großes Potenzial für Kosteneinsparungen. Unzufriedene Mitarbeiter/-innen sind häufiger krank, arbeiten langsamer und wechseln häufiger den Job. Dies führt zu erheblichen Mehrkosten im Personalbereich. Fehlzeiten und Leistungsbeeinträchtigung durch Krankheit verursachen bis zu 15 Prozent prinzipiell vermeidbarer Personalkosten. Haben wir es stattdessen mit zufriedenen und motivierten Mitarbeitern/-innen zu tun, steigt das Engagement und die Produktivität um ca. 30 Prozent. Die Folge ist, dass Mitarbeiter/-innen weniger krank sind und dem Unternehmen eher treu bleiben. Eine geringere Fluktuation und weniger Krankheitstage bedeuten unterm Strich geringere Kosten und somit höhere Gewinne.
Nicht nur die Personalkosten lassen sich reduzieren, auch die Umsätze lassen sich steigern. Motiviertes und zufriedenes Personal wirkt sich positiv auf die Gäste und somit auf den Umsatz aus. Ihre Stammgäste werden es bemerken, wenn Ihre Servicekräfte öfter lachen und eher mal für einen Plausch bereit sind. Auch neue Kunden werden sich wohler fühlen und eher wiederkommen.
Sicherlich ist es an der ein oder anderen Stelle ratsam, in energieeffizientere Technik zu investieren, um ressourcenschonender arbeiten zu können. Oftmals amortisieren sich die Investitionskosten schon nach wenigen Jahren. Je früher die Investitionen getätigt werden, desto schneller kann man sich über die Einsparungen freuen.
Ökologische Nachhaltigkeit
Der Klimawandel ist angekommen und, obgleich es immer noch Klimaleugner gibt, sind die Auswirkungen bereits heute unweigerlich zu erkennen; extreme Temperaturen, 20 Grad an Weihnachten, Überschwemmungen, Dürren und Brände. Der „Earth Overshoot Day“ – der Tag im Jahr, an dem die menschliche Nachfrage nach nachwachsenden Rohstoffen das Angebot und die Kapazität der Erde zur Reproduktion dieser Ressourcen in diesem Jahr übersteigt, findet jedes Jahr früher statt. Im Jahr 2019 war der „Earth Overshoot Day“ Deutschlands bereits am 03. Mai. Ab diesem Tag leben wir „auf Pump“, sprich auf Kosten zukünftiger Generationen.
Um das Überleben der Menschheit und die Lebensgrundlage für zukünftige Generationen zu sichern, ist es unumgänglich unseren Konsum und unseren Umgang mit den limitierten Ressourcen des Planeten Erde zu überdenken. Wieso werden in Deutschland Toiletten mit sauberem Trinkwasser gespült? Wieso produzieren wir so viel Abfall, dass wir ihn selbst nicht mehr verarbeiten können, sondern in Entwicklungsländer exportieren, wo er schließlich in die Meere geschüttet wird?
Ressourcen schonen
Als Betreiber von Orten, an denen Menschen voller Freude zusammenkommen und wir Ihnen mit Speis und Trank und Gastlichkeit schöne Momente bescheren, sollten wir dies nicht auf Kosten zukünftiger Generationen tun. Lassen Sie uns daher gemeinsam einen ressourcenschonenden Umgang kultivieren. An erster Stelle stehen dabei Energie und Wasser. Einfache Tools haben teilweise eine große Wirkung, wie beispielsweise Perlatoren, mit denen 2/3 der Menge an Wasser eingespart werden kann, die pro Minute durch die Wasserhähne läuft.
Auch das Thema Lebensmittelverschwendung bietet großes Potenzial. Auf der einen Seite sollten Lebensmittel ganz verwertet werden und nicht nur die Besten Teile. Dies gilt für Fleisch „from nose to tail“, aber auch für Gemüse. Denn auch aus den Resten von Karotte, Zwiebel und Co. lässt sich eine Brühe aufsetzen. Kleinere Portionsgrößen reduzieren übrigbleibende Speisereste auf den Tellern. Eine intelligent geplante Speise-/Tageskarte verwertet Produkte vom Vortrag. Auch eine optimierte Bedarfsplanung sowie ein darauf abgestimmter Einkauf können Lebensmittelabfälle reduzieren. Daneben gilt es zu analysieren, welche Arten von Abfall neben der für die Bio-Tonne anfallen. Oftmals sind viele Waren in Plastik verpackt, so dass Berge an Verpackungsmüll in der Restmüll-Tonne landen. Diese Inhalte werden verbrannt und verursachen Kohlenstoffdioxid (CO2). Was außerdem bleibt sind hochgiftige Schadstoffe. Um Plastik zu vermeiden, ist es ratsam bestehende Lieferanten zu kontaktieren, das Thema offen anzusprechen, nachzufragen, ob eine Lieferung ohne Plastikverpackung möglich ist und gegebenenfalls nach Alternativen zu suchen. Teilweise werden bereits Mehrweg-Systeme eingesetzt oder zumindest Großgebinde geliefert. Je größer die Nachfrage desto größer wird das Angebot an umweltfreundlichen Alternativen.
Nachhaltiges Speisenangebot
Unsere Ernährung spielt in Sachen Klimawandel eine große Rolle: der Konsum tierischer Produkte in unseren Industrieländern übersteigt alles bisher Dagewesene. Konventionelle Landwirtschaft und Massentierhaltung schädigen nachweislich die Umwelt. Zum einen sollten wir daher verstärkt auf den Einsatz von Bio-Lebensmitteln und zum anderen vermehrt auf pflanzliche Gerichte setzen. Auch hier ist es empfehlenswert, für die Konzeption neuer Speisen einen darauf spezialisierten Koch / Köchin zu Rate zu ziehen, um attraktive vegetarische und vegane Gerichte zu entwickeln. Denn was gar nicht geht: vegane oder vegetarische Beilagen als Hauptgericht deklarieren. Die pflanzlichen Gerichte sollten mindestens genauso vollwertig und nährstoffreich sein, wie die Gerichte mit tierischen Anteilen. Gleichzeitig kommen die höheren Margen und die höhere Gewinnspanne vegetarischer und veganer Gerichte dem Betrieb nur zu Gute.
Schon kleine Massnahmen haben oft große Wirkung
Auch im Bereich Verbrauchsmaterialien hat sich in den letzten Jahren viel getan. Für alles gibt es mittlerweile gute und umweltfreundliche Alternativen – angefangen von Reinigungsmitteln bis hin zur Büroausstattung. Dabei gilt es verschiedene Anbieter und Produkte zu vergleichen, diese anschließend auf deren Umweltfreundlichkeit hin zu bewerten und im alltäglichen Betrieb zu testen. Auch hier macht es Sinn, Mitarbeiter/-innen gleich zu Beginn mit ins Boot zu holen. Vielleicht haben Sie eine/n Mitarbeiter/-in, der/die sich gerne auf freiwilliger Basis als Nachhaltigkeits-Beauftragte/r einsetzen möchte?
Nachhaltigkeit als Chance für die Gastronomie & Hotellerie
Wie aus dem Artikel hervorgeht, ist das Thema Nachhaltigkeit komplex und muss von Situation zu Situation differenziert betrachtet, allerdings nicht gefürchtet werden. Nachhaltigkeit stellt eine riesige Chance für die Gastronomie- und Hotellerie-Branche dar. Auf der einen Seite lassen sich Kosten einsparen, auf der anderen Seite Umsätze steigern. Werden Sie als nachhaltiges Unternehmen zu einem attraktiven Arbeitgeber, der seine Werte kennt und lebt. Verschaffen Sie sich ein Alleinstellungsmerkmal und bieten Sie Ihren Stakeholdern einen Mehrwert: Heben Sie hervor wieso es sich lohnt, Ihre Dienstleistung und Ihre Produkte zu konsumieren. Denken Sie langfristig und haben Sie Geduld, denn Prozesse werden nicht von heute auf morgen verändert, sondern benötigen Zeit. Lassen Sie sich hierbei am besten von einem professionellen Partner begleiten, der gemeinsam mit Ihnen den Weg in Richtung mehr Nachhaltigkeit geht. Nur wenn jede/r ihren/seinen individuellen Beitrag leistet, wird es uns möglich sein, die Lebensgrundlage unseres Planeten Erde für zukünftige Generationen zu bewahren.
Text: Shireen Stengel
Seit 2012 setzt sich Shireen Stengel intensiv mit den Konsequenzen unseres Handelns für das ökologische Gleichgewicht auseinander. 2018 entstand die Idee zur Gründung des Start-Ups ECOLUTIONARY, welches alle ökologischen, ökonomischen und sozialen Bereiche von Unternehmen im Wertschöpfungsprozess berücksichtigt und berät von ihrer Heimatstadt München aus erfolgreich Unternehmen verschiedener Branchen rund um das Thema Nachhaltigkeit.