Alles Bio? Verbandszertifizierung für die Gastronomie

14.01.2020 | Gastro, Gut zu wissen

Interview mit Nina Weis, Gastronomie-Betreuerin beim Bioanbauverband Demeter, über den Spagat zwischen Transparenz und Glaubwürdigkeit sowie der Umsetzbarkeit im Küchenalltag.

Demeter ist ja ein bekannter Bio-Anbauverband für unterschiedlichste Produktbereiche. Seit wann können sich auch Gastronomen bei Euch zertifizieren lassen?

Richtig, Demeter ist der älteste Bio-Anbauverband. Das Demeter-Zeichen wurde bereits 1928 als Marke eingetragen. Anfangs wurden eher klassische Agrarprodukte zertifiziert, wie Getreide oder Milchprodukte. Nach und nach kamen auf Wunsch von Landwirten und Verarbeitern weitere Produktbereiche hinzu. Heute zertifiziert Demeter auch Wein, Tiernahrung, Kosmetik – und seit 2014 auch Gastronomen.

Der Wunsch danach kam aus dem Kreis der Gastronomie selbst. Einige Gastronomen waren an uns herangetreten und hatten nach einer Möglichkeit gefragt, Demeter Mitglieder zu werden. Sie hatten die hohe Qualität der Demeter Produkte schätzen gelernt und wollten die Verwendung dieser Lebensmittel auch gegenüber ihren Gästen ausloben.

So begann man um das Jahr 2012 damit, an einer eigenen Richtlinie für die Gastronomie zu arbeiten. Diese konnte dann im Frühjahr 2014 von unserer Delegiertenversammlung verabschiedet werden. Seitdem erweitert sich der kleine Kreis der Demeter-Gastronomen langsam, aber stetig. Wir freuen uns immer über weitere engagierte Betriebe, die Demeter-Produkte schätzen und Lust haben, unsere Gruppe zu verstärken und mit uns zusammen den Bereich Gastronomie bei Demeter weiterzuentwickeln.

Demeter als privatrechtlicher Bio-Standard sattelt übrigens stets auf der „normalen“ Bio-Zertifizierung auf. Diese wird von vielen Gastronomen zunächst gescheut – allerdings hat das viel mit einem Mangel an Information und zahlreichen Vorurteilen zu tun, die dazu in der Branche herumgeistern. In diesem Artikel wollen wir mit verbreiteten Vorurteilen rund um das Thema Bio-Zertifizierung aufräumen.

Die Gastronomie-Richtlinie wurde nun umfassend überarbeitet. Warum eigentlich?

Im Gegensatz zu vielen anderen Demeter-Richtlinien, die historisch gewachsen sind und auf gelebter Praxis basieren, ist unsere erste Gastronomie-Richtlinie mehr oder weniger „am Reißbrett“ entstanden. Von Anfang an war klar, dass wir diese in enger Abstimmung mit den angeschlossenen Betrieben evaluieren und weiterentwickeln müssen. Dieser Prozess ist auch noch nicht komplett abgeschlossen, da immer wieder neue Fragen auftauchen.

Wichtig bei der Richtlinienentwicklung ist einerseits die Schaffung eines verlässlichen und glaubwürdigen Standards, der den Gästen der zertifizierten Gastronomen eine gute Orientierung bietet. Andererseits muss ein solcher Standard auch im Küchenalltag den Härtetest bezüglich der Praxistauglichkeit bestehen – es ist ja nicht Sinn einer Richtlinie, unseren Mitgliedern die Arbeit zusätzlich zu verkomplizieren. Im Gegenteil: Wir versuchen mit der Gastronomie-Richtlinie die hohen Ansprüche, die unsere Gastronomen an sich selbst stellen, nachprüfbar für die Gäste abzubilden. Das fängt bei 100% biozertifizierten Zutaten an und zieht sich über den Fokus auf Zusammenarbeit mit Partnern in der Region bis hin zu einer hohen eigenen Fertigungstiefe ohne Einsatz üblicher Convenience-Hilfsmittel.

So haben wir nun im Zuge der Überarbeitung einige Regeln über Bord geworfen, die sich als wenig praktikabel herausstellten. Bisher war der vorgeschriebene Demeter-Anteil beispielsweise als ein bestimmter Prozentwert des Einkaufswertes gerechnet. Die Kontrolle nach dieser Systematik entpuppte sich als ungeheuer aufwändig, weil jeder Lieferschein separat angeschaut werden musste, um die Berechnung zu ermöglichen. Wir haben das System daher umgestellt auf den festen Austausch einer festgelegten Anzahl von Produkten, die zukünftig ausschließlich in Demeter-Qualität verwendet werden. Da reicht dem Kontrolleur ein Blick ins Lager, um die Einhaltung der Richtlinie zu überprüfen. Auch das ursprünglich vorgeschriebene „Demeter“-Gericht haben wir ausgemistet – die Rückmeldung unserer Gastronomen war, dass dieses die Flexibilität und Kreativität im Kochprozess eher behindert. Gerade Flexibilität ist aber besonders vonnöten, wenn man bevorzugt mit kleinen Produzenten zusammenarbeitet.

Eine Übersicht der aktualisierten Richtlinie finden Interessierte übrigens hier.

Als Gastronom wird einem ja bereits mit der Bio-Zertifizierung einiges abverlangt. Was habe ich davon, mich auch noch einem Verband mit wiederum separaten Richtlinien anzuschließen?

Auch wenn das Bewusstsein für ökologisch erzeugte, nachhaltige Lebensmittel auch in der Gastronomie stetig zunimmt, wird es noch eine Weile dauern, bis „Bio“ dort genauso angekommen sein wird, wie im normalen Handel, wo der „Bio-Boom“ immer mehr Fahrt aufnimmt. Wir als Verband mit unseren Mitgliedern möchten diesen Prozess unterstützen. Es geht darum, engagierte Gastronomen miteinander zu vernetzen, sie in der Öffentlichkeit sichtbarer machen und ihnen auch in der Politik eine Stimme zu geben. Die hohe Bekanntheit der Demeter Marke und das große Verbrauchervertrauen, das uns entgegen gebracht wird, hilft uns da natürlich.

Außerdem unterstützen wir bei der Suche nach geeigneten Lieferanten und stellen den Austausch unter den Mitgliedern und den Infofluss mit Branchennews sicher, zum Beispiel im Form regelmäßiger Treffen oder Rundschreiben, damit alle in Bezug auf neue Entwicklungen in der Demeter-Welt und auf Branchennews immer up to date sind.

Gastronomen sind durch den direkten Draht zu ihrem Gast im Gegenzug auch ganz wichtige Multiplikatoren für uns, denn sie bringen die Demeter Geschichten der Landwirte auf die Teller – ohne erhobenen Zeigefinger, sondern durch eine große Portion Genuss! Die Menschen erfahren so mit allen Sinnen, dass Demeter nicht nur strenge Richtlinien hat, sondern dass die erzeugten Lebensmittel häufig der „Ferrari“ in Bezug auf Qualität sind.

Wer Lust hat, nähere Details über eine Demeter Mitgliedschaft zu erhalten, darf sich gern bei uns unter gastronomie@demeter.de melden.

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