Europas nachhaltige Restaurants: Das Tüfi – Bio aus Überzeugung

24.08.2020 | International, Beispielhaft

Irgendwann muss Claudio Valsangiacomo endgültig die Nase voll gehabt haben. Etwa zwei Jahrzehnte war er nun schon in der Gastronomie aktiv, war reingerutscht in die Branche, arbeitete sich hoch, hatte bei einer größeren Firma mit dem Einkauf zu tun. Und sah, was ihm nicht gefiel. Um das billigste Produkt sei es gegangen. Qualität und Nachhaltigkeit? Keineswegs. Manchmal sei noch jemand zu Ausschreibungen geladen worden, aber eigentlich war immer klar, dass der Billigste den Zuschlag bekommt.

Lag am System. Gewinn und Bonus. Es ging um Zahlen und nur um selbige. Was die Gäste nur selten zu stören schien – Claudio Valsangiacomo hingegen sehr wohl. „Dann habe ich mich selbständig gemacht“, erzählt der Zürcher. 2001, mit einem kleinen Restaurant im Zürcher Seefeld, einem Quartier, das damals erst allmählich chic und angesagt zu werden begann. Am Anfang sei er noch teilweise konventionell aufgestellt gewesen, sagt der Chef, dann habe er konsequent auf Bio-Produkte umgestellt. Beides zusammen ging nicht für jemanden, der privat ökologisch einkaufte. Also nur bio, später keine Meeresfische mehr. Allein Muscheln gibt es noch, in der Saison.

Natürlich Bio: Süsskartoffeltaboulé mit Mandeltofu

Dass es keine feine, steife Gastronomie sein sollte, mit weiße Tischdecken und Kellnern, war von Anfang an klar. Vielleicht liegt es auch daran, dass Tüfi heute noch ein Geheimtipp ist. Die Tester der klassischen Restaurantführer interessieren sich selten für ein Restaurant im Wirtshausflair, mit hübscher Terrasse und viel hölzerner Gemütlichkeit drinnen, das Lammragout mit Madrascurry verfeinert, einen kalte indische Gurkensuppe passend zum Sommer serviert oder Vitello tonnato nicht mit dem anderswo üblichen Kalbfleisch aus den Niederlanden, sondern mit Schweizer Biofleisch zubereitet. Rind & Co. von zwei knospe-zertifizierten Metzgern, das Kaninchen von der Alp Flix im Kanton Graubünden. Natürlich kostet das. Aber machbar sei es, auch wenn seine Gäste durchaus preissensibel seien. 40 Franken sei die Schmerzgrenze für einen Hauptgang, sagt Valsangiacomo. Doch das klappt, weil Biofleisch gar nicht dramatisch teurer sei. Die Portionen etwas reduzieren, eine Vorspeise verkaufen, ein Glas Wein – hier nicht ausschließlich bio – und Wasser, das geht. Statt des einfachen Prosecco, auch so ein Umsatzbringer in vielen konventionell arbeitenden Betrieben, bei dem der Einkauf nicht billig genug sein kann, steht übrigens Schweizer Bio-Schaumwein auf der Karte.

Dass sich einiges geändert hat in den letzten 20 Jahren, sieht Valsangiacomo. Über biologisch erzeugte Produkte und Nachhaltigkeit wird öfter geredet denn je. Aber an die nahende Revolution glaubt der Gastronom nicht. Noch immer geht es vielfach um den Preis, nach wie vor erschweren die vielen Wechsel in der Branche die Kontinuität. Pizza, mit wenigen einfachen Zutaten hergestellt und teuer verkauft, ist immer noch ein Renner in Zürich. Und wer schaut schon genau hin, als Gast beim Besuch im Lokal, woher das Fleisch stammt? Dazu die vielen vorgefertigten Produkte, die es so vor 30 Jahren noch gar nicht gab, und der Arbeitskräftemangel. Aber ist das ein Grund, die Flinte ins Korn zu werfen? Claudio Valsangiacomo hat seinen Weg gefunden, serviert Bio-Auberginen mit Raita, Cordon bleu vom Bio-Schwein oder hausgemachte Bio-Frühlingsrollen. Und beweist jeden Tag, dass nachhaltige Gastronomie funktioniert – sofern man als Wirt nicht ausschließlich an die Steigerung des Gewinns und den eigenen Bonus denkt.

Restaurant Tüfi, Dufourstrasse 154, CH-8008 Zürich, Tel. +41 44 381 80 28, www.tuefi.ch

Text: Wolfgang Faßbender, Bilder: Tüfi

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