Beim 1. Gastro for Future Online-Summit von Greentable diskutierten wir mit fünf Branchen-Expert*innen über das Thema Team – und wie man es bindet und stärkt. Ist eine Investition ins Team und in soziale Nachhaltigkeit ein Weg, um sich langfristig wirtschaftlicher aufzustellen?
Es diskutierten (v. links): Juliane Winkler vom „Nobelhart & Schmutzig“, Berlin, Stephanie Christ von „gastro concierge“, Stutensee, Claus Peter vom „Peters – Das Genusshotel in der Wingst“, Jules Winnfield vom „Bonvivant Cocktail Bistro“, Berlin und Patrick Rothkopf, Präsident DEHOGA Nordrhein
Aufzeichnung des Panels „Team-Empowerment“
Mach dich bunt!
Das Zeugnis spielt keine Rolle, hört man oft. Doch Claus Peter vom „Peters – Das Genusshotel in der Wingst“ schaut bei Bewerbungen durchaus auf die Schulnoten, aber nur auf zwei: Religion und Sport. Denn: In diesen Fächern sei es schwieriger, eine 5 als eine 3 zu bekommen, findet er. Und eine ordentliche Note spiegele die generelle Arbeitsauffassung wieder, so Peter. „Ich möchte junge Leute, die Anspruch an ihre Leistung haben“. Die sich nicht zu schade seien, Besteck zu polieren oder Pfifferlinge zu putzen, denen man nicht hinterherlaufen muss. Das ist die Forderung. Die Förderung ist in seinem, für sein Aus- und Weiterbildungsprogramm „Mach dich bunt!” mehrfach ausgezeichneten Betrieb mannigfaltig (wovon wir uns Anfang 2022 vor Ort überzeugen konnten). 2016, so Peter, habe man gemerkt: Wir müssen etwas ändern, wir erreichen die jungen Leute nicht, die wir haben wollen. Er hat es zur Chefsache gemacht, schickt Azubis in andere Betriebe, zur Jugendnationalmannschaft der Köche, lässt sie Pop-ups ausrichten und vieles mehr. Es gehe darum, sich auf die Stärken zu konzentrieren und diese zu fördern, erklärt Peter, der 2023 den „Award der Gastfreundschaft“ für sein internes Engagement gewann. Junge Mitarbeitende könne man zudem auch als „Marketingtool“ nutzen, indem sie in die Schulen gehen und von ihrer Arbeit berichten, und nicht nur der Chef als „altes Zirkuspferd“.
GreenDo
„Mach dich bunt, mach es spannend und gib den jungen Leuten die Bühne für ihre kreativen Ideen.“
Claus Peter
Kellner*innenstolz
In Schulen gehen auch die Mitglieder von „proudtokellner“, einer Initiative, die sich für mehr Wertschätzung des Serviceberufs im Gastgewerbe einsetzt. Juliane Winkler ist Mitgründerin und Restaurantleiterin im Berliner „Nobelhart und Schmutzig“. So blauäugig man mit der Aktion gestartet sei, so schnell habe man festgestellt, dass es ein Interesse für die Bedürfnisse und Wünsche im Servicebereich gibt, und man ist nicht alleine ist – ob auf dem Land oder in der Stadt, ob gehobenes Restaurant oder Wirtshaus: Überall ist mehr Aufmerksamkeit und Wertschätzung für den Kellner*innenberuf gefragt. Der Kontakt zu Schüler*innen habe gezeigt, dass manche Sorgen noch dieselben seien wie zu Zeiten, als sie selbst Schülerin war, so Winkler, aber auch Neues hinzugekommen sei. Umso wichtiger seien Vorbilder: In der Küche sind sie vorhanden, nun brauche man sie auch im Service.
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„Wir sollten aufhören zu glauben, dass jede*r ersetzbar ist. Gibt man Mitarbeitenden das Gefühl, einzigartig zu sein, dann fühlen sie sich besonders und dazugehörig.“
Juliane Winkler
Viele Bewerbungen für die Küche
Er wäre selbst Koch geworden, hätte es seinerzeit einen vegetarischen Ausbildungsberuf gegeben, erklärte Jules Winnfield vom „Bonvivant Cocktail Bistro“ in Berlin, das 2023 einen Michelin-Stern erhielt. Dass hier hochwertig pflanzlich gekocht wird, sorge für hohen Bewerbungszulauf. „Das Postfach ist voll“, so Winnfield. Auch Anfragen, ob man hier die Ausbildung fortsetzen könne, träfen ein. Unter der Leitung von Küchenchef Nikodemus Berger (und mit Johannes Schulz-Mothes hat man auch einen Profi im Team, der sich vor allem um die Azubis kümmert) werden auch Exkursionen ins Stadtgrün gemacht, bei denen Kräuter und Co. gesammelt werden. So wird, teils während der Arbeitszeit, teils freiwillig an freien Tagen, Wissen vermittelt. Die Leute haben Lust mitzukommen, so Winnfield. Auch an Besuchen bei Erzeugern, u.a. von „Die Gemeinschaft“ organisiert, nimmt man teil. Und ganz neu ist das „Studio 32“ neben dem Restaurant, das man für Koch- und Cocktailkurse und Events nutzt.
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„Es darf nicht langweilig werden. Solange die Leute gerne zur Arbeit gehen und man nicht jeden Tag die gleichen Abläufe hat, ziehen sie nicht weiter.“
Jules Winnfield
Vielfalt bringt viel
Vielfältige Teams, unterschiedliche Erfahrungen und neue Denkweisen sorgen für Dynamik, erklärte Stephanie Christ von „gastro concierge“, die sich auf kulturelles Onboarding spezialisiert hat. Diversität steigere die Attraktivität als Arbeitgeber, aber auch für die Gäste, fördere Offenheit und Toleranz. Ein Selbstläufer sei dies aber keineswegs: Es sei herausfordernd, brauche Zeit und Geduld. „Es kommen Menschen mit Erwartungen und Bedürfnissen und nicht nur zwei Hände“, erklärt sie. Die Menschen abzuholen, das Team zu informieren und zu sensibilisieren, wer kommt und welchen Hintergrund diese Person mitbringt, sei wichtig. Dem Team müsse dabei klar gemacht werden, dass diese personelle Verstärkung langfristig für Entlastung sorge. Das Pre- und Onboarding lasse sich durch Patenschaften bzw. Begleitung erleichtern, auch bei Behördengängen, der Wohnungssuche oder bei der Anmeldung zur Sprachförderung. Sie rät zudem dazu, auf finanzielle Förderungen zurück zu greifen. Ein gut aufgestelltes, unterstützendes Team stelle eine längere Bindung her und verringere die Fluktuation. Und motivierte Mitarbeitende bringen am Ende auch mehr Umsatz.
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„Sensibilisiere dein Team für die Herausforderungen, die auf euch zukommen und wie ihr sie gemeinsam stemmen könnt. Zeige die positiven Aspekte und die Entlastung auf, die es für jeden Einzelnen bringt, wenn ihr euer Team vielfältiger gestaltet.“
Stephanie Christ
Mitarbeiter schätzen soziale Verantwortung
Die Branche müsse ihr Narrativ ändern, findet Patrick Rothkopf, der nicht nur Hotelier und Gastronom ist, sondern als Vorsitzender des DEHOGA Nordrhein auch Verbandsarbeit leistet. Statt mit gesenktem Haupt durch die Welt zu gehen, Stichwort schlechtes Branchenimage, solle man die Flexibilität, die das Gastgewerbe biete, lieber für ein positiveres Selbstverständnis nutzen. (Nur) zur bestimmten Tageszeiten oder auch nachts arbeiten zu können, böte bestimmten Menschen auch Vorteile, zum Beispiel Alleinerziehenden, die früh morgens und ab Nachmittag keine Zeit haben. Sich modern und zukunftsorientiert aufzustellen, bedeute aber mehr als nur ausreichend freie Zeit – welche heute eigentlich ein Fairness-Standard sein sollte, so Rothkopf. „Was können wir der Gesellschaft darüber hinaus wieder geben?“ so seine Frage ins digital zugeschaltete Publikum. Welche soziale Verantwortung übernimmt der gastronomische Betrieb? Bietet er Menschen am Rande des Arbeitsmarktes Zugang? Soziale Verantwortung, so seine Beobachtung, finden Mitarbeiter „megagut“, es erzeuge Bindung und hole neue Leute in den Betrieb. Und: Über einen Beitrag zur Gesellschaft erzeuge man am Ende Umsatz – denn wenn ausreichend Personal vorhanden ist (weil der Betrieb attraktiv ist), so müssen Angebote und Öffnungszeiten nicht eingeschränkt werden.
GreenDo
„Setz dich morgen mit deinem Team hin und her den Menschen einfach mal zu. Was bewegt sie, was für Ideen haben sie – nicht nur im sozialen, sondern auch im ökologischen Bereich der Nachhaltigkeit?“
Patrick Rothkopf
Text: Jan-Peter Wulf, Fotos: Unsplash, Greentable