Zero Foodprint: Die neue Brücke zwischen regenerativer Landwirtschaft und Gastronomie

28.09.2021 | Beispielhaft, Gastro

Klimaschutz auf dem Teller klingt nicht sexy. Ist es aber, wenn man das Ganze so umsetzt wie das Berliner Bonvivant Cocktail Bistro. Dessen Stadtmenü im Rahmen der Berlin Food Week ist zugleich Kickoff der Initiative Zero Foodprint, die regenerative Landwirtschaft und Kulinarik zusammenbringt.

Zum Start Butternusskürbis mit Gochujang, Sanddorn, Schafsmilch und Schafgarbe, dazu ein alkoholfreier Drink aus Apfelessig, Karotte, Ingwer und Chili. Als Hauptgericht Pastinake im Ganzen, als Püree und als Crumble mit geräucherter Hefe, Quitte, Kerbel, Sonnenblumenkernen und Kornelkirschen, dazu Absinth mit Quitte und Anis, aufgefüllt mit belgischem Weißbier. Zum Dessert Johannisbeerholz, Mandel, Karamell und Wilder Apfel, dazu Verjus mit Johannisbeere, Mandel und Aprikosenkernen.

Dieses vegetarische Dreigangmenü mit korrespondierenden Getränken servierte das Team des Bonvivant Cocktail Bistro im September anlässlich des „Stadtmenüs“ der Berlin Food Week 2021, an der sich rund 70 Restaurants und dies erstmals deutschlandweit beteiligten. Zu zeigen, wie sich Genuss und Klimafreundlichkeit auf dem Teller zusammenbringen lassen, war die Aufgabe bzw. das Thema des diesjährigen Stadtmenüs unter dem Motto „eine kulinarische Klimakampagne“.

Nachhaltiger Hochgenuss

Aufgabe mehr als erfüllt, kann man nur sagen. Super lecker war’s. Gut, für das Bonvivant ist es praktisch ein Heimspiel, hat es sich doch seit seiner Eröffnung im Sommer 2021 ganz der regionalen, saisonalen, vegetarischen und nachhaltigen Küche verschrieben. Und ebenso seine Bar: Auch hier kommen vorwiegend Produkte aus heimischen Gefilden zum Einsatz, Brände und Geiste, deutsche Weine, zum Mixen selbstgemachte, saisonale Sirupe und Shrubs sowie Ersatzprodukte für (importierte, viele Emissionen verursachende) Zitrusfrüchte, den bereits genannten Verjus zum Beispiel. Und weil nachhaltige Kulinarik hier seit Beginn gelebt wird, hat man sich anlässlich des Stadtmenüs überlegt, wie man noch einen draufsetzen kann: Für das Dreigangmenü wurden einige Zutaten wie Schafgarbe, wilder Apfel oder Kornelkirsche selbst gesammelt – mitten in Berlin im Park am Gleisdreieck oder auf dem Tempelhofer Feld.

1 Prozent fürs Klima

Ein Prozent aller bei den Stadtmenüs erzielten Umsätze fließt in regenerative Landwirtschaft, und zwar über unser soeben in Deutschland gestartete Projekt Zero Foodprint. ZFP sammelt die Gelder in einem Bodenfond und reicht sie dann an land- und forstwirtschaftliche Betriebe weiter, die regenerative Methoden auf ihren Flächen umsetzen. Diese Art der Landwirtschaft oder Agrarkultur bringt nicht nur nährstoffhaltigere, gesündere und besser schmeckende Lebensmittel hervor – sie bindet auch Kohlenstoff im Boden und wirkt klimapositiv, wird deswegen auch „carbon farming“ genannt.

Team und Beirat der Initiative Zero Foodprint Deutschland: v.l. Dr. Hyewon Seo (UBA), Ciara Whittaker (ZFP), Matthias Tritsch (ZFP), Annika Weidling (ZFP), Julius Palm (Followfood), Lea Ligat (Gut & Bösel), Jan-Peter Wulf (ZFP Presse)

Der Hof Gut & Bösel aus Briesen nahe Frankfurt/Oder ist einer der ersten an der Kooperation teilnehmenden Betriebe und zugleich ein echter Pionier der regenerativen Landwirtschaft in Deutschland. Schon lange beliefert man, u.a. über die Plattform 2020, auch gastronomische Betriebe mit seinen Produkten.

Dass es nun mit Zero Foodprint eine direkte Verbindung zwischen Erzeugerbetrieb und Gastronomie, zwischen Landwirt*innen, Gastronom*innen und Gäst*innen gibt, begrüßt Lea Ligat, die für Gut & Bösel tätig ist und gemeinsam mit uns am runden Tisch das „Stadtmenü“ genießt. Auf diese Weise sei die Gastronomie ist nicht nur Abnehmerin regenerativer Erzeugnisse, sondern auch Botschafterin für eine klimaschützende, weil CO2 speichernde Art des Anbaus: „Restaurants wie das Bonvivant, Nobelhart & Schmutzig oder Lode & Stijn bringen auch unsere Geschichte an ihre Kunden.“

Wenn in den Restaurantküche aus regenerativen Agrar-Erzeugnissen geschmackvolle Produkte werden und im Service den Gästen erklärt werden kann, wo die Zutaten herkommen und was ein Prozent der Rechnung bewirken kann, dann stellt dies einen ganz anderen Wert her und schließt einen Kreis.

Zero Foodprint Restaurants sind Vorreiter

So soll es in Zukunft in vielen gastronomischen Betrieben passieren. Nach einer Pilotphase mit fünf Restaurants sowie der einwöchigen „Stadtmenü“-Kampagne öffnet Zero Foodprint, das aus den USA stammt und dort schon viele Brücken gebaut hat, nun ganz offiziell seine Türen und lädt alle gastronomischen Betriebe zur Teilnahme ein, vom kleinen Café bis zur großen Kette.

Ein ausgeprägt nachhaltiges Profil wie das Bonvivant Cocktail Bistro, müssen die Restaurants aber nicht vorweisen. Auf Seiten der Erzeugerbetriebe hingegen wird man zunächst mit solchen kooperieren, die bereits Erfahrung mit regenerativer Landwirtschaft haben, um sich später, mit etwas mehr Routine und Expertise, die man weitergeben kann, auch konventionellen Betrieben zu öffnen, die mehr Klimaschutz auf ihren Böden betreiben wollen.

Noch ein Gedanke zum Schluss: Ist jetzt, da praktisch alle gastronomischen Betriebe mit wenig Personal und finanziellem Druck zu kämpfen haben, ein guter Zeitpunkt, um eine Kampagne zu launchen, die ein Prozent von der Rechnung abzwickt? So gesehen vielleicht nicht.

Doch war die Aufmerksamkeit für die Notwendigkeit für Klimaschutz je größer als jetzt, und gab es je mehr Wertschätzung für gute Lebensmittel und gute Gastronomie als nach den Lockdowns? So gesehen vielleicht doch.

Die Betriebe können selbst entscheiden, ob sie das Prozent einpreisen oder draufsetzen. Kostet ein Hauptgang plötzlich 35,35 statt 35 Euro, tut das keinem Gast weh, aber: Es fällt auf. Und ist hoffentlich der Anfang einer guten Geschichte.

Text und Fotos: Jan-Peter Wulf

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